Ute Groth Kolumne Hartplatzhelden

Vereine sind der Motor für das Miteinander

Ein Thema, das Vereinsvertreter nicht erst seit vorgestern umtreibt und das sie nicht erst seit vorgestern öffentlich ansprechen: Wir brauchen in der Spitze des DFB eine Vertretung aus dem Amateurfußball, eine Person, die weiß, wie es an der Basis aussieht. Der vom DFB genannte Vizepräsident ist dieser Vertreter nicht, die bisher genannten Kandidaten für die Präsidentschaft vermutlich ebensowenig.

Die rund 25.000 Fußballvereine leisten eine Arbeit von großer Bedeutung. Vereine motivieren zum Sport und bilden den Nachwuchs aus. Wir holen die Kinder und Jugendlichen von der Straße, wir vermitteln Werte wie Teamwork, Kameradschaft, Ehrgeiz, Leistungswille, Engagement, Disziplin, Toleranz, Respekt, Fairplay, Zuverlässigkeit. Wir arbeiten für Integration und Inklusion. Vereine sind der Motor für das Miteinander in der Gesellschaft. Auf unseren Sportanlagen treffen sich Menschen unterschiedlichster sozialer Herkunft und kultureller Prägung, treiben gemeinsam Sport und bleiben mit dem Sport lange fit und leistungsfähig.

Dabei ‘erwirtschaften’ wir riesige Summen. 2019 betrug, laut DFB, die soziale und ökonomische Wertschöpfung durch den Amateurfußball 13,94 Milliarden Euro für das Gemeinwohl in Deutschland. Die Leistungen wurden erbracht mit 2,61 Milliarden Euro im sozialen Bereich. 5,73 Milliarden Euro direkte Beiträge in die Wirtschaft sowie 5,6 Milliarden Euro Einsparungen im Gesundheitswesen.

Doch wie stellen wir sicher, dass wir auch in Zukunft Sport im Verein anbieten und damit weiterhin unsere Aufgaben für den gesellschaftlichen Zusammenhalt erfüllen können? Wie retten wir den Amateurfußball?

Und was kann, was muss, der DFB als Vertreter von sieben Millionen Mitgliedern tun? Das erste wäre, die Aufgabe der Vertretung endlich zu übernehmen, und nicht, wenn es kritische Stimmen gibt, sich auf die Position zurückzuziehen: “Der DFB hat nur 27 Mitglieder und das sind die Landes- und Regionalverbände und die DFL.” Ja, Landes- und Regionalverbände tun ihre Arbeit für den Amateursport, aber ist diese Arbeit ausreichend? Ein klares Nein, sonst würden dieser Artikel gerade nicht geschrieben.

Was sind unsere Probleme?

 ✓ die angespannte finanzielle Situation, in der sich viele Vereine befinden

 ✓ die Gewinnung von ehrenamtlichen Helfern, die sich sehr schwierig gestaltet

 ✓ der zunehmende Mangel an qualifizierten Trainern und Trainerinnen für die Jugendmannschaften

 ✓ der Rückzug von Mannschaften (Jugend wie Aktive) vom Spielbetrieb im ländlichen Raum und damit lange Fahrwege 

 ✓ Schiedsrichtermangel

 ✓ Sanierungsstau bei den veralteten Sportanlagen

 ✓ der zunehmende Mangel an neuen Sportanlagen in immer bevölkerungsreicheren städtischen Ballungsräumen

 ✓ der hohe verwaltungstechnische Aufwand bei Anfragen an und von Behörden sowie bei Nutzung von Fördermöglichkeiten

 ✓ die Digitalisierung

 ✓ die Konkurrenz durch alternative Sport- und Freizeitmöglichkeiten wie Fitness Studios, Musikschulen, Trendsportarten, Beschäftigung mit virtuellen Angeboten

 ✓ die geregelte Ganztagsbetreuung in Grund-und weiterführenden Schulen ab 2025 für alle

Wir brauchen die Zusammenarbeit mit dem DFB. Er könnte viel für den Amateursport erreichen, wenn er die Aufgabe annimmt. Ideen und Anregungen gibt es zwei Monate vor der Wahl des neuen Präsidenten genug, man muss sie nur hören wollen.


Von Krusten und Kumpanen

Krusten sind an sich etwas Gutes. Sie schließen Wunden und schützen unseren Körper vor Eindringlingen. Krusten sind für viele das beste am Brot, es gibt sogar spezielle Krustenbrote. Auch bei gebratenem Essen sind Krusten oft der beliebteste Teil des Essens.


Ganz anders ist es bei komplexen Systemen, die mit den Jahren zur Verkrustung neigen. Egal ob Verein, politische Partei oder auch Sportverband. All diese Systeme werden vom Stillstand der Verkrustung bedroht. Hier ist die Verkrustung ein Schutzpanzer gegen Veränderungen und Innovationen jeder Art. Die Verkrustung bewahrt etablierte Strukturen.


Schauen wir uns an, wie solche systemischen Verkrustungen entstehen. Nehmen wir einen Fußballverband: Gegründet werden sie von Vereinen, die sich eine gemeinsame Organisation des Spielbetriebs wünschen. Das klappt am Anfang hervorragend, da die Gründungsmitglieder des Verbands auch Praktiker aus den Vereinen sind. Über die Jahre aber bilden sich interne Strukturen aus. Es entsteht der „Beruf" des Verbandsfunktionärs, der, einmal Teil der Struktur, Teil der Struktur bleibt. Man kennt sich, hilft sich, stützt sich gegenseitig, auch bei der Besetzung verschiedener Posten, und freut sich über die Aufwandsentschädigung und die etablierten Privilegien.


Dabei entfernen sich die Funktionäre, mehr oder weniger unmerklich, immer weiter von ihrer eigentlichen Funktion: der Unterstützung der Vereine, aus denen sie entstanden sind. Der Funktionär wird zum Kumpan. Und der Verband mutiert zum System, das primär den Selbsterhalt verfolgt und sich dabei mehr und mehr nach Außen abschottet. Interne Wahlzustimmungen von jenseits der neunzig Prozent belegen diesen unguten Mechanismus. Komplexe Regeln verhindern den Einstieg neuer Kräfte, und so schmort das System im eigenen Saft der systemtreuen Ineffizienz.


Letztlich liegt aber auch hier die Wahrheit auf dem Platz. Das heißt in unserem Beispiel, dass irgendwann die Vereine neue effiziente Strukturen bilden werden und dem eigentlichen Verband die Existenzberechtigung entziehen. Gerade in der aktuellen Phase des gesellschaftlichen Umbruchs brauchen die Vereine flexible und praxisnahe Lösungen. Und keine
Krusten.



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Präsidentenwahl DFB

Der DFB muss endlich Praktiker einbeziehen

Es brennt im deutschen Amateurfußball, die Pandemie legt die Probleme noch deutlicher offen. Für die Vereine wird es immer schwieriger, Coaches für den Kinderfußball oder gar Jugendleiterinnen zu finden. Zu anspruchsvoll sind inzwischen Regeln, Verwaltung und nicht zuletzt die Eltern. Den Schiedsrichtern geht in einigen Regionen viel Personal abhanden, in unteren Ligen werden oft keine Unparteiischen mehr angesetzt. Dramatisch ist die Entwicklung beim Mädchenfußball. Selbst in Ballungsräumen wird es für viele Vereine immer schwieriger, Spielerinnen zu gewinnen. Auch das leidige Thema Investoren macht vor dem Breitenfußball nicht halt und verzerrt vielerorts den Wettbewerb.

Doch die höchsten Funktionäre unseres Sports sind gerade mit anderen Dingen beschäftigt. Es gilt, die DFB-Spitze neu zu besetzen. Im März 2022 soll ein Präsident gewählt werden, vielleicht sogar eine Doppelspitze. Wer weiß, was die Landesfürsten in ihren Zirkeln aushecken?

Den Vereinen an der Basis hilft die intransparente Hinterzimmerpolitik nichts. Das Magazin 11Freunde hat gerade mehrere Aktivisten aus der Amateurszene, darunter drei Kolumnisten der HARTPLATZHELDEN, Raum gegeben, ihre Probleme zu schildern. Die Sport Bild widmete sich auf einer Doppelseite dem TV-Grundlagenvertrag. Den Vereinen an der Basis werden durch die ausgehandelte Deckelung der DFL-Zahlungen an die Amateure Jahr für Jahr viele Millionen Euro vorenthalten. Immerhin, der Präsident des Nordostdeutschen Fußball-Verbands Hermann Winkler solidarisiert sich, was man von anderen DFB-Granden noch nicht vernommen hat. Rainer Koch mahnt bei jeder Gelegenheit, die Einheit der Amateure nicht aufs Spiel zu setzen.

Doch bestimmt Koch alleine die Regeln des Spiels? Gern verweist er darauf, dass der DFB gar kein Geld an die Vereine auszahlen dürfe. Mal davon abgesehen, dass es hierzu unterschiedliche Lesarten gibt – den Vereinen ist es egal, ob das Geld von den Landesverbänden oder direkt vom DFB kommt. Sie könnten es gut brauchen. Das System Ehrenamt stößt an Grenzen. Wobei zwischen Stadt und Land es erhebliche Diskrepanzen existieren. In Berlin führen nach fast eineinhalb Jahren Pandemie die meisten Vereine Wartelisten für Kinder und Jugendliche. Es fehlen Plätze, Trainerinnen und Trainer. Zumal die vorhandenen es nicht gerade leichter als vor Corona haben, denn viele ihrer Schützlinge sind unausgeglichener. Der Amateursport kann die gesellschaftlichen Probleme nicht mehr auffangen.

Es bräuchte dringend neue Diskussionen und Konzepte. Die Leute aus den Verbänden müssten mehr zuhören und die Vertreter der Amateurvereine ernst nehmen. Diese Fähigkeit wäre ein wichtiges Kriterium für künftige Menschen an der Spitze.

Sicher, es gibt lobenswerte Ansätze wie den neuen Minifußball, der bei den Kleinsten etwas Druck aus dem Kessel nehmen und nebenbei die technischen Fertigkeiten der Kleinsten verbessern soll. Doch Funino, so der Name, ist personalintensiver, braucht zudem Anschaffungen von Toren, Bällen und veränderte Trainingskonzepte. Nach den letzten Leistungen der Nationalmannschaft mag es nötig sein, über Ausbildungskonzepte nachzudenken. Doch darf man die Basis mit der Umsetzung nicht alleine lassen. Denn bei noch mehr Überforderung werfen noch mehr Trainer oder Vorstände hin. Sie sind dann meist für den Sport verloren.

Dass der DFB in der Lage ist, eine Reform einzuleiten, darf bezweifelt werden. Allein schon, weil das gegenseitige Misstrauen sehr groß ist. Sie wird kaum von Funktionären kommen, die seit zwanzig Jahren an ihren Sesseln kleben, auch nicht von Oliver Bierhoff und seinem riesigen Stab. Es braucht endlich die Einbeziehung von Praktikern aus den Vereinen. Leider steht zu befürchten, dass die überteuerte DFB-Akademie dafür sorgt, dass die Elite sich noch mehr von der Basis entfernen wird.

Wenn aber die Funktionäre nicht endlich begreifen, dass Partizipation, Transparenz und Transformation unabdingbar sind, wird der Fußball nachhaltig Schaden nehmen. Dieser wird nicht dadurch gemindert, dass man kritische Geister als Spalter oder Nörglerinnen diskriminiert oder gar vor die Ethikkommission zerrt. Bibiana Steinhaus zum Beispiel hätte dem deutschen Fußball vielleicht gut getan, nun hat sie sich für den englischen Verband entschieden und keinen Hehl daraus gemacht, dass sie dort mehr Möglichkeiten sieht, Dinge zu bewegen.

Im März 2022 wird die neue DFB-Spitze gewählt. Noch ist Zeit, die Gelegenheit zu ergreifen und Leute einzubeziehen, die wirklich wissen, was in den Vereinen benötigt wird. Natürlich wäre es am besten, wenn alle an einem Strang zögen: Amateure, Profis, Funktionäre, Politik, vielleicht sogar mit der konstruktiv-kritischen Begleitung der Medien. Öffentlichkeit ist nicht ausschließlich durch Social-Media-Portale herzustellen. Der Zustand der Amateurvereine geht uns alle an, auch Politiker oder Journalistinnen oder ihre Kinder wollen Fußball spielen.


Netz Fußball Ball

Es sei denn, wir ändern das System

Andreas Rettig bringt es wieder mal auf den Punkt. „Um DFB-Präsident zu werden, muss man eine Ochsentour vom Kreis über den Bezirk zum Verband absolvieren, um irgendwann Regionalfürst zu sein“, sagt der ehemalige Geschäftsführer der DFL im aktuellen Interview mit dem Kölner Stadt-Anzeiger. „Dann hat man einen grauen Bart und weiße Haare – und landet schließlich im DFB-Präsidium, hat aber schon 25 Jahre lang Allianzen geschmiedet. Das System bedingt genau diese Abhängigkeiten, die dem deutschen Fußball mehr schaden als nutzen, daher bekommen wir auch kein frisches Blut in den DFB.”


Die Aussage des DFB-Kritikers macht uns Amateuren wieder klar: Mit dem herrschenden System wird es nichts mit Reformen im DFB. Ob Theo Zwanziger, Reinhard Grindel oder zuletzt Fritz Keller – sie alle stolperten am Ende über die Seilschaften, die aktiv werden, will jemand die Strukturen ändern. Auch die schweigenden und immer brav folgenden Landespräsidenten tragen nicht weniger Schuld am wohl katastrophalsten Image, das der DFB je hatte. Warum sie so folgsam sind, werden sie selbst am besten wissen. Sie haben scheinbar einiges zu verlieren.


Im März soll nun ein neuer DFB-Präsident (vielleicht auch eine Präsidentin) gewählt werden. Doch wie sollen neue Personen einen Neustart hinkriegen, wenn sie nur von Gnaden der Landesfürsten ins Amt kommen können? Er kann nicht gelingen. Es sei denn, wir ändern das System. Zum Beispiel, indem wir zulassen, dass sich Kandidatinnen von außen bewerben und sich einem neuen Wahlprozess stellen können. Denkbar wäre eine Urwahl, an der alle Fußballerinnen und Fußballer ab 16 oder 18 Jahren aus den rund 25.000 Vereinen teilnehmen. Eine andere Variante wäre ein Delegiertensystem.


Wichtig wäre eine Beteiligung aller Vereine vor allem für die Amateure. Ohne die sind die Profis eh nichts, was die klugen Menschen bei der DFL natürlich wissen und auch der neuen Chefin Donata Hopfen nicht entgangen sein dürfte. Es geht also nur in einer Solidargemeinschaft.


Die Lautsprecher in den Profivereinen, die das nicht realisieren wollen, werden weniger, der jetzige DFB-Chef Peter Peters (neben dem mächtigen Rainer Koch) wurde in seinem Heimatverein Schalke 04 nicht einmal mehr in den Aufsichtsrat gewählt. Wobei sein desaströses Treiben in Gelsenkirchen nicht Grund genug ist, ihn von der DFB-Spitze fernzuhalten, was über die Verfasstheit des Verbands einiges aussagt.


Im März geht es nicht nur um Posten, es geht auch um viel Geld. Fachleute wie der Rechtsanwalt Engelbert Kupka, einst Präsident der Spielvereinigung Unterhaching und im DFL-Beirat, sowie der Berliner Steuerberater Bernd Fiedler, Vorsitzender von Stern 1900, haben ausgerechnet, dass den Amateuren durch die unzulässige Zusatzvereinbarung im TV-Grundlagenvertrag über die Jahre bis zu einer Milliarde Euro entgangen sein könnten. Sie beziehen sich auf Hochrechnungen seit 2003. Doch selbst wenn die Summe „nur“ 500 Millionen betrüge, wäre der Schaden für den Breitensport riesengroß. Eine Auflistung, was man mit dem vielen Geld alles an Verbesserungen für die Amateure machen könnte (die überteuerte Akademie ist es nicht), folgt in einer späteren Kolumne.


Die Personen, die den aktuellen Grundlagenvertrag ausgehandelt haben, sind disqualifiziert. Zumal sie auch in anderen Feldern, wie einer modernen Personal- und Unternehmensführung permanent versagen und mit ihren Eskapaden großen Schaden für den Fußball anrichten. Es braucht also neue Gesichter und mutige Köpfe, die Aufbruch verkörpern. Das gilt nicht nur für das Präsidentenamt, sondern auch für die vielen Vizepräsidentenposten, die immer noch nach Proporz vergeben werden. Ob nun für Recht, Finanzen, gesellschaftliche Verantwortung, Amateur- oder Schiedsrichterwesen, es braucht Fachleute. Wenn diese auch noch wissen, was an der Basis passiert, umso besser.


Das Beste wäre, man würde den Zuschnitt des Präsidiums vorher festlegen und nach geeigneten Kandidatinnen und Kandidaten suchen. Auch die Leitung der Ausschüsse sollte nach Qualifizierung erfolgen. Dann würde es nicht mehr passieren, dass ausgerechnet der Berliner Präsident Futsal-Beauftragter wird, obwohl er es in der Hauptstadt nicht hinbekommen hat, die Hallen für diese Sportart öffnen zu lassen. Die Reisen in ferne Länder würden ihm sicher fehlen, aber dem Futsal in Deutschland würde ein Fachmann guttun.


Eine Frischzellenkur beim DFB ist nur möglich, wenn die Bewerbungshürden fallen und Menschen nach Kompetenz und Leidenschaft, nicht nach Proporz und Dankbarkeit nominiert werden. Expertise und Vielfalt müssen im Vordergrund stehen, nicht Versorgungsmentalität und Kumpanei unter älteren Herren. Wenn das gelingt, können sich auch kluge Köpfe des öffentlichen Lebens, jüngere Menschen und nicht zuletzt Frauen vorstellen, sich in den Dienst des Fußballs zu stellen. Und zwar ohne die Inanspruchnahme von Detekteien und zwielichtigen Beratern, sondern im solidarischen Miteinander von Amateur- und Profifußball.


Es braucht eine Graswurzelbewegung

Es geht nicht voran beim DFB. Nach den Rücktritten von Fritz Keller und Friedrich Curtius, folgte die vom 19-Monate-Präsidenten verpflichtete Medienchefin. Weitere Änderungen werden folgen, es fragt sich nur wo und in welcher Reihenfolge. In den Medien dreht sich alles um Personen. Welche Köpfe sind geeignet, den Verband aus der Krise zu führen? Neben den üblich verdächtigen Ex-Profis bringen sich erstmals auch mehrere
Frauen ins Spiel. Darunter eine ehemalige Managerin eines Proficlubs und ein auch bei der Fifa wohl gelittenes Gesicht von Transparency International Deutschland. Keine Frage, mehr Frauen an der Spitze würden dem DFB sicher gut tun. Doch warum redet eigentlich kaum jemand über Inhalte und Strukturen – vor allem nicht über die Amateure, die ja 99 Prozent der Vereine stellen?

Immerhin erinnert man sich an Ute Groth, ebenfalls Kolumnisten der HARTPLATZHELDEN, die vor zwei Jahren kandidieren wollte, aber schon auf Bezirksebene eiskalt ausgebootet wurde. Sie ist zurzeit die einzige Genannte, die im Lager der Amateurvereine zu verorten ist. Gleichwohl dürften unter den Mitgliedern der 25.000 Vereine weitere Menschen sein, die die Basis des Fußballs vertreten könnten. Ute sagte unlängst selbst, sie könne sich eine erneute Kandidatur nur im Team vorstellen. Ein lobenswerter und richtiger Ansatz. Denn genau das braucht es: Teamplay, Transparenz und Fairplay.

Es führt nicht weiter, die hinlänglich bekannten Scharmützel in der DFB-Spitze zum hundertsten Mal aufzulisten. Viel interessanter ist, dass sich inzwischen Amateurvertreterinnen vernetzen und inhaltlich austauschen. Damit sind sie strategisch deutlich weiter als andere Akteure des Spiels.

Was sind die Themen, die den Breitensport umtreiben? Da ist natürlich die Zukunft des Ehrenamts, das nicht erst seit Corona über immer größere Belastungen und Verantwortung klagt. In den Ballungsräumen fehlt es an sportlicher Infrastruktur, in der Fläche kriegen viele Vereine in der Jugend kaum noch Großfeldteams zusammen. Spielgemeinschaften sind als Lösung vielerorts nicht sehr beliebt, jeder Verein führt nun mal sein Eigenleben. Viele Clubs beklagen eine Überalterung der Vorstände und zu wenig Engagement bei den 30- bis 50-jährigen, denn diese arbeiten oft deutlich mehr als vierzig Stunden in der Woche.

Und natürlich geht es auch ums Geld. Zum Jahreswechsel soll eine GmbH aus den DFB-Filetstücken gegründet werden. Hierzu gehören die Nationalmannschaft, der DFB-Pokal und die ohnehin vom DFB, also weitgehend von den Amateuren, bezahlte Elite-Akademie. Ewigen Mahnern wie Engelbert Kupka mit seiner Initiative „Rettet die Amateure“ ist es zu verdanken, dass auch das vielleicht wichtigste Thema, nämlich der TV-Grundlagenvertrag, nicht in Vergessenheit gerät. Der DFB erhieltfrüher 3 Prozent der Vermarktungseinnahmen. Da diese aber inzwischen gigantische Summen erreichen, sehen die Profivereine sich plötzlich nicht mehr an frühere Vereinbarungen gebunden. Ein nur für Insider verständliches Dickicht aus Nebenabsprachen und Klauseln macht die Sache inzwischen unübersichtlich. Fakt ist aber, die Amateure werden zunehmend vom Berufsfußball abgekocht.

Die heutige Nomenklatura des DFB erklärt ein ums andere Mal, nur sie könne für die Amateure so verhandeln, dass diese nicht unter die Räder kommen. Aber stimmt das auch? Die Vereine werden ja nicht einmal gefragt, wie sie die Sache sehen. Das veraltete System sieht vor, dass die Präsidenten (Frauen gibt es nicht) einigen wenigen Verhandlern die uneingeschränkte Vollmacht geben. Nun muss man wissen, dass diese Landesfürsten sich keineswegs ein Votum von ihrer Basis einholen. Sie entscheiden in der Regel eigenmächtig und machen genau wie beim Votum über Keller, Koch, Curtius und Osnabrügge vor einigen Wochen in Potsdam ihre Abstimmung mit ihrem Badezimmerspiegel ab. Allenfalls wird abends zuvor an der Hotelbar – in Coronazeiten in bilateralen Gesprächen mit Kollegen – die eigene Meinung noch einmal „überprüft“, natürlich auch die eine oder andere Allianz geschmiedet. Man kennt sich, man schätzt sich, man versteht sich. Und man weiß einiges übereinander.

Dieses System aus Leisetreterei und Geheimniskrämerei gilt es abzuschaffen, will sich die Basis endlich Gehör verschaffen. Es braucht eine Graswurzelbewegung, es braucht endlich mehr Vereinsfunktionäre, die sich nicht mehr mit der alleinigen Meinung der Landesfürsten zufrieden geben. Der Amateurfußball steht am Scheideweg und muss sich aufbäumen. Die 25.000 Vereine brauchen endlich eine Art Gewerkschaft für den Breitensport, mindestens eine Interessengemeinschaft. Deren Protagonisten sollten in der Breite gewählt werden, mehr als Tickets für Ehrentribünen und 6-Sterne-Hotels im Kopf haben und die ganze Diversität des Amateurfußballs spiegeln.

Wie es zu so einer Bewegung kommen könnte, haben die Vereine in Berlin gezeigt. Sie haben gegen große Teile ihres Landespräsidiums eine AG Zukunft durchgesetzt. Auch wenn der amtierende Präsident versucht, sich nach seiner zunächst ablehnenden Haltung nun plötzlich als Spitze der Bewegung zu gerieren – der Anstoß kam nicht aus dem Präsidium. Er kam von der Basis.

Die Pandemie hat alle gelehrt, mit Videokonferenzen umzugehen. Dieses Instrument könnte jetzt helfen, die Wege zu verkürzen, die Leute zusammenzubringen, die dringend notwendigen Diskussionen zu ermöglichen.
Anders als bei der Alibi-Veranstaltung „DFB-Amateurkongress“ werden nicht ausgewählte Leute gehört, sondern alle Interessierten können sich einbringen. Sogar ein alternativer Amateurkongress wäre denkbar. Damit könnte die von den Verbänden so gern beschworene Digitalisierung tatsächlich etwas für die Vereine voranbringen. Nur ganz anders, als die amtierenden Herren sich das gedacht haben.