Ich weiß nicht, was ein Sportminister bringen soll
Die drei wichtigsten Vertreter des deutschen Sports wollen einen Sportminister. Dem Amateurfußball wäre damit nicht geholfen. Das Problem liegt woanders. Von UTE GROTH
Am Sonntag ist Bundestagswahl, und da kommt mir ein Interview in den Sinn, das ich vor einigen Wochen gelesen habe. In der „Zeit“ haben sich die drei wichtigsten Repräsentanten des deutschen Sports zu Wort gemeldet, der DOSB-Präsident, der DFB-Präsident, der Präsident des Deutschen Behindertensportverbandes. Drei Herren, wie Sie merken, auf dieses Thema komme ich später zurück.
Bemerkenswert fand ich ihre gemeinsame Forderung: Sie wünschen sich von der neuen Bundesregierung einen Staatsminister für Sport. Klingt vielleicht gut und wichtig, aber brauchen wir den im nächsten Kabinett wirklich? Und was würde er dem Breitensport und dem Amateurfußball helfen, dessen Vereine in der Krise stecken? Ich, Frau, seit siebzehn Jahren im Vereinsvorstand, möchte antworten.
Szene 1: Schwenk in die Realität meines Mehrspartensportvereins TUSA Düsseldorf, rund 2.300 Mitglieder, Mitte Januar. Unsere drei Vertreter der Fußballabteilung mit mehr als 800 Mitgliedern tagen im Vereinsheim. Sie diskutieren, ob sie auf der Abteilungsversammlung im kommenden April endlich jemanden finden, die oder der sich für die Leitung zur Verfügung stellt.
Der Posten ist wichtig, da er die Interessen der Abteilungsleiter koordiniert und im Gesamtvorstand vertritt. Er ist aber seit fünf Jahren unbesetzt.
Wird es uns bald gelingen, aus dem Kreis der Mitglieder oder der Eltern der Kinder und Jugendlichen zusätzliche Unterstützung zu finden? Oder stimmt die Einschätzung unseres Trainerteams, dass die Anmeldung im Sportverein heute eher dem Zweck dient, die Kinder irgendwo unterzubringen? Die Zahl der Mitglieder mag steigen, doch einen Verein begreifen heute viele Menschen zunehmend als Dienstleister.
Die schlimme Folge: Sollte es nicht demnächst gelingen, unter den gut 800 Mitgliedern der Fußballabteilung weitere ehrenamtliche Helfer zu finden, wird die Zahl der bislang 37 Mannschaften deutlich reduziert. Anders ist es nicht zu bewältigen. Ähnliche Gespräche werden in der Basketball-, der Leichtathletik-, der Volleyballabteilung geführt. Der Mangel an Mitarbeit ist allgegenwärtig.
Szenerie 2: Vereinsanlage TUSA, die für Fußball, Leichtathletik, Basketball, Beachvolleyball genutzt wird: Die Sportanlagen sind in einem guten, die Umkleiden in unterschiedlichem Zustand. Vier Kabinen in den Kellerräumen, Baujahr 1959, sind mit der Häufigkeit heutigen Nutzung überfordert. Der Schimmel in den Duschen ist Dauerthema. Zwei Umkleiden im separaten Gebäude von 2006 müssen schon wieder renoviert werden. Nicht alles ist schlecht: Vor drei Jahren sind zwei weitere Umkleiden für unsere gut 200 Fußballerinnen mit Förderung durch Bund und Land hinzugekommen.
Auch für den Ersatz des Vereinsheims gab es ab 2019 in Zusammenarbeit mit der Stadt Planungen. Für einen energiesparenden Neubau, barrierefrei, auch mit Mehrzweckräumen für umliegende Vereine sowie Schulkindbetreuung. Doch die kommunalen Geldtöpfe erlauben derzeit keine Förderung, der Plan liegt in der Schublade.
Zurück zur Ausgangsfrage: Brauchen wir neue Strukturen, also einen Sportminister? Für Vereine sind ihre Mitglieder und die Sportverbände verantwortlich, für die Infrastruktur die Länder und Kommunen. Der Schulsport ist Aufgabe der Kultusminister der Länder. Die finanzielle Entlastung von Ehrenamtlern können die Finanzbehörden regeln. Ich sehe keine Aufgabe für einen Sportminister, der Geld kosten würde. Kann sein, dass er dem Leistungssport irgendwie dienen würde. Aber neue Ehrenamtler würde er nicht in die Vereine bringen.
Dieses Problem, das größte im deutschen Sport, müssen andere lösen, allen voran unsere Verbände. Die sollten endlich ihrer Vorbildfunktion gerecht werden, indem sie mehr Menschen einbinden, die bisher dort weniger oder gar nicht vertreten sind. Damit nicht immer, siehe Texteinstieg, immer dieselben Köpfe reden.
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»Bewegung von unten«: Darum brauchen wir ein Ministerium für Sport
Hartplatzhelden-Kolumne #93: Die Kultur protestiert, die Kita streikt, die Bauern laufen Sturm. Nur der Sport rührt sich nicht. Dabei hätte er genug zu meckern und zu fordern. Von GERD THOMAS
„Ist der Breitensport kampagnenfähig?“ Diese Frage warf ein hoher Funktionär auf einer Versammlung Berliner Fußballvereine auf. Hintergrund war die legendäre Sportstättenmisere in der Hauptstadt. In anderen Ballungsräumen ist die Situation ähnlich dramatisch. Städte und deren umliegenden Gemeinden wachsen weiter, während viele ländliche Gebiete Einwohner verlieren. In Deutschland leben 77,77 Prozent der Menschen in Städten, Tendenz steigend.
In vielen Dörfern stehen riesige, oft wunderschöne Sportanlagen. Gleichzeitig bekommen die Vereine größere Probleme, eine B- oder A-Jugend oder gar ein Mädchenteam auf die Beine zu kriegen. Viele behelfen sich mit meist ungeliebten Spielgemeinschaften. In Großstädten ist der Trend genau umgekehrt. Bei uns am Schöneberger Südkreuz entstanden und entstehen Büros für mehr als 10.000 Beschäftigte und Wohnungen für rund 5.000 Menschen. Gleichzeitig wurde kein einziger Millimeter Sportanlage neu gebaut!
Die Folge: Hunderte von Kindern und Jugendlichen warten jedes Jahr auf einen Platz im Verein. Dieser ist allein mit den Absagen an die Eltern schon überfordert, was zu Ärger und schlechtem Ruf führt. Aber wenn wir jetzt auch noch Ehrenamtliche für das Ablehnungsmanagement suchen müssen, wird es endgültig zu viel. Spaß macht das niemandem.
Sportlich gehen dem Fußball hoffnungsvolle Talente durch die Lappen, weil sie gar nicht erst in den Vereinen ankommen. Volkswirtschaftlich ist der Sportstättenmangel kompletter Irrsinn, denn es braucht nicht nur in der Jugend dringend mehr Bewegung und Abwechslung. Ganz zu schweigen von Pausen für die durch übermäßigen Handykonsum geschädigten Gehirne junger Menschen. Die Krankenkassenbeiträge werden aufgrund fehlender Hallen und Plätze steigen, aber das wird in der Politik nie diskutiert. Mal davon abgesehen, dass deutsche Stadtplanung eher krank macht, als gesundheitsfördernd zu sein. Sport ist kein Thema, mit dem man Wahlen gewinnen kann.
Wie ändern wir das? Womit wir bei der Einstiegsfrage wären. Bauern protestieren und werden sogar ohne Folgen straffällig. Kita-Personal streikt, und Eltern müssen spontan Urlaub nehmen. Die Berliner Kultur trifft sich zum Protest vor dem Brandenburger Tor. Warum eigentlich nicht vor dem Regierungssitz oder dem Parlament? Der Sport braucht sich keine Gedanken über Ort machen, denn er protestiert nicht.
Es wird gejammert und geklagt, aber nichts geändert. Vielmehr wird selbst bei Eis und Schnee (ok, das erledigt bald die Klimakrise) oder bei sengender Hitze (die erledigt uns) das Training durchgeführt, selbst wenn der Coach kurzfristig ausfällt. Während in der Schule dann eben kein Unterricht stattfindet, stellt der Sportverein zu 99 Prozent sicher, dass sich Ersatz findet.
Anders als Lokführer oder Angestellte im Gesundheitswesen hat der Amateurfußball keine Gewerkschaft. Er hat aber eigentlich Interessensgemeinschaften, nämlich die Landesverbände und den DOSB mit seinem Flaggschiff DFB. Der steht mit 7,7 Millionen Mitgliedern deutlich an der Spitze, gefolgt vom Turnerbund, wobei der keine 2 Millionen Fans von Profivereinen hat. Übrigens, der Deutsche Golfverband hat fast zweieinhalbmal so viele Mitglieder wie der Basketball-Bund, auch eine interessante Entwicklung.
Viele Funktionäre in den Sportverbänden sind Mitglied in den so genannten Volksparteien. Da diese in jedem Bundesland und natürlich im Bund regieren, ist wenig Distanz zur Politik vorhanden. Das muss nicht immer schlecht sein, nimmt aber von vornherein Elan aus der Debatte. Wer glaubt, das würde sich mit der Wahl einer der neueren vermeintlichen Protestparteien ändern, wird sich noch wundern. Sport wurde von real existierenden und nationalen Sozialisten schon immer aufs Schlimmste missbraucht. Der Sportverein gilt als Schule der Demokratie, was er auch bleiben sollte.
Es braucht eine Bewegung von unten. Ich habe bei unserer Berliner Abschlussveranstaltung zur Stärkung des Ehrenamts gesagt, der Amateursport verkaufe sich zu billig. Genau darum geht es. Wir stellen nicht einmal Forderungen nach einem Sportministerium. Während die Kultur bei der Bundesregierung eine Staatsministerin, in der Berliner Landesregierung einen Kultursenator hat, ist der Sport in der Regel beim Innenministerium unter „ferner liefen“ angesiedelt.
In wenigen Wochen sind Bundestagswahlen. Es ist keine gewagte Prognose, dass der Sport keine Rolle spielen wird. Stattdessen wird über Zuwanderung und Integration schwadroniert (die der Sport täglich umsetzt), werden mehr Straßen gefordert (aber nie mehr Sportanlagen) oder mehr Unterstützung für die Wirtschaft (aber nie für den Breitensport). Einige Blitzmerker fordern sogar eine stärkere Privatisierung des Gesundheitswesens. Wahrscheinlich halten sie das auch für den Sport für eine gute Idee.
Amateurfußball und anderer Breitensport sind Säulen der Gesellschaft. Sie schaffen Zusammenhalt, Begegnung und Bewegung, hier entstehen Freundschaften und Bünde fürs Leben. Sie tragen unmittelbar zur Stärkung der Volkswirtschaft bei, aber sie haben keine Lobby. Es ist an der Zeit, das zu ändern. Das Thema muss zur nächsten Wahl auf den Tisch! In der nächsten Bundesregierung sollte es zumindest ein Staatsministerium für Sport geben.
Und auch beim DFB muss das Thema ein größeres Gewicht bekommen. Dort wird ebenfalls gewählt. Warum entsenden wir nicht aus der Mitte der Vereine in einer Direktwahl zwei Vertreter der Amateurvereine, die im Range eines DFB-Vizepräsidenten für den Amateurfußball agieren? Ich wüsste schon geeignete Kandidaten.
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Klimakrise & Fußball: »Ist uns die Zukunft unser Kinder egal?«
Hartplatzhelden-Kolumne #83: Die Klimakrise verlangt neue Antworten auch im Fußball, doch Politik und Verbände geben oft nur die alten. GERD THOMAS über das Politikum Kunstrasenbau und eine grundsätzliche Frage.
Die heiße Phase der Saison ist eingeleitet. Bei den Amateuren werden die nächsten Wochen über Auf- und Abstieg entscheiden. Eine besondere Rolle kommt den äußeren Bedingungen und dem körperlichen Zustand der Akteure zu. In diesem Jahr unterbrach der Schiedsrichter bereits am 7. April erstmals ein Spiel durch eine Trinkpause, das Thermometer zeigte zweieinhalb Wochen nach Winterende 24 Grad! Am Maifeiertag stiegen die Temperaturen auf mehr als 25 Grad. Für alle Spieler, die im Pokal in die Verlängerung mussten, eine Herausforderung.
Glücklicherweise ist nichts über das Kollabieren von Aktiven bekannt. Derlei Meldungen könnten uns aber bald regelmäßig ereilen. Nicht nur auf dem Platz, auch bei Zuschauern am Rand, in den Stadien während der EM und bei Olympia. Hitze ist eine der größten Gesundheitsbedrohungen der Zukunft, nicht zuletzt im Sport. Sven Plöger und Eckardt von Hirschhausen haben beim Dialogforum Nachhaltigkeit des DFB im vorigen Jahr darauf hingewiesen.
Breitensportanlagen sind nicht auf steigende Temperaturen vorbereitet. Selbst bei Neubauten und Sanierungen spielen klimatische und gesundheitliche Betrachtungen keine Rolle. Das kann man als Unwissen, Ignoranz oder Vorsatz werten. Ein Kinderturnier, bei dem es keine Unterstellmöglichkeiten mit Schatten gibt, ist gesundheitsgefährdend.
Diesen Anschlag auf unsere Jugend mit zu hohen Kosten abzutun, klingt wie Hohn. Denn gleichzeitig
- werden in Berlin Museen für zig Milliarden saniert und klimatisiert gebaut,
- wird über die Sanierung des Olympiageländes für mehr als 350 Millionen Euro nachgedacht,
- werden die teuersten Autobahnkilometer der Republik quer durch Berlin gebaut. Im Jahr 2024!
Für die vielen Kinder und Jugendlichen in den Amateurvereinen stehen derlei Summen nicht zur Verfügung. Nicht für die Vereinsanlagen, nicht für den Schulsport. Das ist unverantwortlich. Warum ist das so?
Wir wissen, dass ein fitter Körper auch geistige Herausforderungen besser meistert. Wir wissen, dass die beim Sport gelernten Soft Skills das enthalten, wonach Unternehmen bei ihrem Personal suchen: Teamgeist, Durchhaltevermögen, Kreativität, Ehrgeiz und Entscheidungsstärke. Warum also handeln Politik, Verwaltung und Sportverbände nicht entsprechend!?
Die Fußball-Europameisterschaft wurde an Deutschland vergeben, weil man sich mit einem nachhaltigen Konzept beworben hatte. Nachhaltigkeit als Kriterium wirkt!
- Doch wo sind die nachhaltigen Konzepte für den Breitensport?
- Wo sind die beispielgebenden Kooperationen zwischen Profis und Amateuren?
- Wo sind die Lobbyisten in den Landesverbänden, die von Kommunen endlich gesundheitsfördernde Bauweisen einklagen?
Ok, rhetorische Fragen. Aber wenn man sich in ein Amt für den Sport wählen lässt, muss man auch im Sinne der Sportlerinnen und Sportler handeln.
Es gibt Konzepte, die auf die Klimakrise eingehen. Es gibt energiesparende und langlebige Flutlichtlösungen, Schatten spendende Tribünen mit Solardächern, Kunstrasenplätze aus recycelten Materialien und mit nachwachsenden Rohstoffen wie Kork.
Die sind, anders als die in vielen Teilen des Landes bevorzugten Teppichdiscounter-Lösungen, auch bei Minustemperaturen bespielbar. Was zunehmend wichtig wird, denn Wetterextreme nehmen zu. Wir werden in nächster Zukunft erleben, dass zwischen Mai und September Spiele aufgrund extremer Hitze vom Mittag in die Abendstunden verlegt werden müssen. Was neue Lösungen für Spielbetrieb und Freizeit erfordern wird.
In der Hauptstadt hat man Sport noch nicht als wesentliche Chance für mehr soziale Nachhaltigkeit erkannt, bestätigen Fachleute aus der Wissenschaft. Nun ist in Berlin mit Kindern und Jugendlichen ja auch alles im Lot, die wenigen Verhaltensauffälligen und motorisch Eingeschränkten … Sarkasmus aus!
Zwei Dinge machen mir allerdings Mut, dass wir aus der in der „Sportmetropole“ verbreiteten Haltung „Können wir nicht! Wollen wir nicht! Machen wir nicht!“ rauskommen: In unserem neu besetzten Bezirkssportamt arbeiten Leute, die Lust auf Sportentwicklung haben. Und die Initiative für eine nachhaltige EXPO2035 hat erkannt, dass auch der Sport ein wesentlicher Erfolgsfaktor bei der nötigen Transformation sein kann.
Beim FC Internationale haben wir Pläne für integrierte Sportkonzepte in der Schublade. Wir denken zum Beispiel über eine sportbetonte Kita nach, über Räume für Nachhilfe oder Ernährungsworkshops, über leicht zu installierende Bewegungsmöglichkeiten für Senioren (Boule), wie für junge Menschen (Calysthenics). Leider haben wir nicht die finanziellen Möglichkeiten, dies umzusetzen.
Die Planungen und Umsetzungen laufen vielerorts immer noch wie in den 1990er-Jahren. Der rund acht Jahre alte Sportentwicklungsplan liegt seit seiner Entstehung in der Schublade einer Amtsstube. Böse Zungen behaupten zudem, es gäbe keinen fairen Wettbewerb unter den Anbietern. Sportstättenbauer gehören fast überall zu den wichtigsten Sponsoren von Sportverbänden. Zur Definition: „Sobald eine Gegenleistung für eine Zuwendung von Seiten einer gemeinnützigen Organisation erbracht wird, gilt dies als Sponsoring.“ Die Frage stellt sich, welche Gegenleistung ein Verband bieten kann.
Was Fachfremde wissen sollten: Sportstätten müssen von den lokalen oder regionalen Sportverbänden auf Tauglichkeit abgenommen werden. Es gibt sogar Regionalverbände, in denen führende Mitarbeiter von involvierten Unternehmen Arbeitsgruppen für Sportstättenbau leiten. Unter Betrachtung üblicher Compliance-Regeln ist das zumindest pikant.
Besser wäre, die Verbände würden im Zusammenspiel mit Aktiven in den Vereinen und fachkundigen Menschen in Behörden – denn die gibt es – ein Pflichtenheft für unabhängige Ausschreibungen erstellen? Darin sollten enthalten sein:
- nicht gesundheitsgefährdende Beschaffung der Bodenbeläge und Untergründe
- Möglichkeiten für soziale Kontakte (z. B. Jugendräume)
- genügend Möglichkeiten von Schatten und Wasser für alle Anwesenden
- regenerative Energiequellen
- Flutlichtkonzepte, die Sportlern und Anwohnern entsprechen
- angemessene Kabinen und Sanitäranlagen
- Einbindung von Gesundheitsorganisationen
- Installation von Trinkwasserbrunnen
Beim Gewinn des großen Sterns des Sports für den FC Internationale haben wir dem Bundespräsidenten ein Trikot mit der 1,5 übergeben. Diese Rückennummer gibt es nicht, aber sie weist symbolisch auf die absolute Grenze des für uns Erträglichen hin. Wir alle wissen, den Leugnern der Klimakatastrophe zum Trotz: Dieses Ziel werden wir reißen.
Frank-Walter Steinmeier zitierte mich in der Sportschau: „Wie einer der Ausgezeichneten heute gesagt hat: Wir wissen, dass wenn wir das 1,5-Grad-Ziel nicht erreichen, dann können wir bald keinen Fußball mehr auf grünem Rasen spielen. Insofern ist doch erkannt, wohin die Reise geht.“
Lieber Herr Bundespräsident, vielen Dank für das Zitieren. Doch wir haben nicht den Eindruck, dass sich die Erkenntnis durchgesetzt hat. Nicht in der Klimapolitik, nicht beim Bau zeitgemäßer Sportstätten. Wir würden uns freuen, wenn Sie sich an die Spitze der Bewegung setzen würden, gerade weil wir „die nachhaltigste EURO aller Zeiten“ ausrichten wollen. Fragen bleiben:
- Wollen wir auch bei der Infrastruktur für den Breitensport danach handeln?
- Oder wollen wir nur pflichtschuldig Beifall klatschen, wenn das nächste Mal jemand fordert, endlich Nachhaltigkeitskriterien in den Bau von Sportstätten einziehen zu lassen?
- Danach sich beim Buffet Zustimmung zuraunen und nach der Veranstaltung wieder zur Tagesordnung übergehen, um „business as usual“ zu betreiben?
- Und darauf warten, dass unsere Nachfolger das schon regeln werden?
Unsere Kinder dürfen klares Handeln von uns erwarten. Es könnte sein, dass sie demnächst fragen: „Wo warst du, als es darum ging, die Dinge im Sport zu ändern?“
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Es könnte alles so einfach sein, ist es aber nicht
Bewegung fördert die Gesundheit. Bewegung ist Basis für Lernvorgänge. Bewegung im Team fördert das Erlernen und Umsetzen gesellschaftlicher Werte und Normen, von der Begrüßung bis zur Entschuldigung. Sport fördert Verantwortung und die Fähigkeit, Entscheidungen zu treffen. Organisierter Sport erfordert darüber hinaus die Eingliederung in ein Sozialsystem und gibt in einer sich schnell wandelnden Gesellschaft Halt. Sport ist vor allem für Kinder die Basis für eine körperlich und geistig gesunde Entwicklung. Das ist mittlerweile gesellschaftlicher Konsens. Aber leider oft Theorie als gelebte politische Praxis.
Ein Beispiel, das meinen Verein aktuell sehr beschäftigt: Unser Vereinsgelände liegt an einer der verkehrsreichsten Straßen der Republik und dennoch sehr zentral inmitten eines Wohngebiets, lediglich fünf Kilometer entfernt vom Stadtzentrum. Über die Jahre rückte die Wohnbebauung immer näher, so dass teilweise nur etwa zwanzig Meter zwischen der Auslinie und dem nächsten Gebäude liegen.
Nun haben wir einen Rasen- und einen Kunstrasenplatz. Hört sich gut an, aber bei 26 Teams im Verein relativiert sich das. Sportplätze sind in den zentralen Lagen der Großstadt Mangelware. Die einzige Möglichkeit, unsere Kapazität zu erweitern, wäre die Umwandlung des Rasens in einen Kunstrasenplatz. Einem Rasenplatz spricht man jährlich etwa 800 Nutzungsstunden zu, Kunstrasenplätze erlauben deutlich mehr als 2.000 Nutzungsstunden.
Eigentlich kein Problem. Sollte man meinen. Der Teufel steckt nun im Detail. Der Umbau eines Rasensportplatzes in eine Kunstrasenfläche wird in München als Neubau bewertet. Es ist eine Baugenehmigung erforderlich. Und damit geht der Bestandsschutz für die gesamte Sportanlage verloren. Dies kann in der Konsequenz zu massiven Nutzungsbegrenzungen für die komplette Sportanlage nach einer entsprechenden Neubewertung von Licht- und Lärmemissionen führen. Ein Risiko, das der Verein nicht eingehen kann.
Die einfache Lösung wäre, den Umbau der Rasenfläche in eine Kunstrasenfläche als Sanierung der Sportplatzes einzuordnen. Dann wäre keine Baugenehmigung notwendig. Der Bestandsschutz für die Anlage bliebe erhalten.
Dies wird aber aus verschiedenen Gründen abgelehnt. Denn es wird unter anderem eine intensivere Nutzung der Fläche befürchtet, der Bau des Kunstrasens gilt als Bodenversiegelung, zudem haben Kunstrasenflächen mikroklimatischen Einfluss. Alles wichtige Themen. Aber: Wir sprechen von einer Sportfläche, die genau diesem Zweck gewidmet ist. Und die am Ende völlig ineffizient genutzt wird, weil der Rasen permanent überbeansprucht und in einem schlechten nur schwer nutzbaren Zustand ist.
Ist es richtig, dass die gesellschaftlich so wichtige bestmögliche Nutzung der Sportfläche unterbleibt, weil es versäumt wurde, ökologisch sinnvolle Freiflächen zu lassen? Wäre es nicht wesentlich sinnvoller, innerstädtische Flächen zu entsiegeln, Dächer und Fassaden zu begrünen, statt wieder einmal den Sport die Rechnung zahlen zu lassen?
Interne Berechnung zeigen, dass der Umbau eine Erweiterung der Kapazitäten um rund hundert Kinder ermöglichen würde. Und wir könnten endlich auch Fußball für Mädchen anbieten, was uns bisher aus Kapazitäts- und Infrastrukturgründen nicht möglich war.
Am Ende zeigt die Situation eines: Sport und Bewegung haben noch lange nicht das Gewicht, das sie aufgrund der gesellschaftlichen Wertigkeit haben müssen. Eine Änderung ist nicht in Sicht.
Die Generation Corona
Sehr geehrter Herr Bürgermeister Müller, sehr geehrter Herr Sportsenator
Geisel,
die Politik in Berlin hat entschieden, dass die Vereine Fußballtraining bis 12 Jahre durchführen dürfen. Wir freuen uns für die Kinder, auch wenn die Absenkung des von der Ministerpräsidentenkonferenz beschlossenen Alters von 14 auf 12 Jahre für uns unverständlich ist.
Wir hätten uns gewünscht, auch den Jugendlichen und jungen Erwachsenen zu ermöglichen, sich legal unter der Aufsicht ihrer Coaches zu bewegen. Sie klettern nun wieder „illegal“ über die Zäune, werden in die Parks und auf die Bolzplätze getrieben, wo Auseinandersetzungen mit der Polizei und dem Ordnungsamt drohen. Besser wäre es gewesen, auch für sie die Plätze zu öffnen, so dass sie im Training unter Obhut der Vereine Sport treiben können.
Die Sozialarbeit legt ein Augenmerk auf die Altersgruppe von 14 bis 27, in dieser prägenden Phase werden wesentliche Grundlagen für das weitere Leben gelegt. Seit Monaten sind diese jungen Menschen ohne sportlichen Ausgleich. Wir hören von vielen Unverständnis, andere sind längst in der Antriebslosigkeit angekommen. Arbeitsmarktexperten und Sozialmedizinerinnen schlagen Alarm, denn nicht nur körperlich, auch psychisch drohen Schäden. Viele junge Menschen leiden massiv unter Bewegungs- und Kontaktmangel, nicht wenige befinden sich in psychologischer Betreuung, es kursiert schon der Begriff „Generation Corona“. Der Fußball könnte helfen, die Einschränkungen in dieser Gruppe der oft noch nicht in den „Erwerbs-, Bildungs- und Sozialsystemen“ Angekommenen zu verringern und den (teuren) Langzeitfolgen entgegenzusteuern.
Wir nehmen die Pandemie nicht auf die leichte Schulter, aber uns darf das Schicksal der jungen Menschen nicht egal sein. Auch wenn auf die vielen Ehrenamtlichen noch mehr Arbeit zukommen wird: Wir Erwachsenen haben die Pflicht, unterstützend einzugreifen! Und wir wollen diese Aufgabe im Sinne unserer jungen Mitglieder gerne wahrnehmen. Besonders im Fokus stehen die finanziell benachteiligten jungen Menschen, von denen es in unseren Vereinen viele gibt. Gleichwohl wäre es töricht, die leidenschaftlichen Ehrenamtlichen die Probleme alleine ausbaden zu lassen. Wir müssen uns auch um die Unterstützung der Jugendleitungen und Coaches kümmern, nicht nur auf die Rettung großer Konzerne. Wir haben einige Ideen, wie wir Jugendlichen und junge Erwachsenen mit Hilfe des Fußballs helfen können. Bitte glauben Sie uns: Die Vereine werden verantwortungsvoll mit dem Virus umgehen.
Beziehen Sie die Praktikerinnen von der Basis ein. Wir würden der Politik in Berlin gerne erläutern, warum eine kontrollierte Öffnung für die Jugend und die jungen Erwachsenen richtig ist und warum es dem Wohl der gesamten Berliner Bevölkerung entgegenkommt. Reden Sie mit uns!
Mit sportlichen Grüßen
Bernd Fiedler (SFC Stern 1900 Berlin) und Gerd Thomas (FC Internationale Berlin)






