Lasst es uns angehen!
„Der deutsche Fußball ist nicht reform- und damit nicht zukunftsfähig! Es braucht mehr Offenheit und umfassender Strukturanpassungen. Der Fußball muss seine Rolle als Impulsgeber wieder wahrnehmen.“ Das sind drei Forderungen aus einem Beitrag einer sehr geschätzten Person in einem Social-Media-Netzwerk, das vornehmlich von Geschäftsleuten und Multiplikatoren genutzt wird. Hingegen lese ich in Netzwerken, die von der breiten Masse genutzt werden, ganz andere Hinweise. Da ist auch mal von deutschen Tugenden die Rede, von der fehlenden Härte, für viele war früher fast alles besser. Auf einer gut besuchten Seite mit dem Titel „Amateurfußball“ finden sich allerdings vorwiegend Filmchen aus europäischen Profiligen, garniert mit kuriosen Fundstücken und Filmchen. Was dort fehlt, ist eine Diskussion in der gesamten Breite. Immerhin beschäftigen sich auch Medien wie der Kicker, einige Tageszeitungen oder das großartige Zeitspiel-Magazin mit den Problemen.
Egal, zu welcher Lesart, zu welchem Medium man sich eher hingezogen fühlt: Der Fußball ist immer noch ein Sport für die gesamte Gesellschaft. Damit hat er etwas, das weiten Teilen des öffentlichen Lebens in Deutschland abhandengekommen ist. Gleichwohl gibt es auch im Fußball zunehmend die Haltung: „Die da oben müssen es so machen, damit ich mich wohlfühle.“ Eine differenzierte Betrachtung findet immer seltener statt. Die nervtötende deutsche Nölerei ist auch im Fußball längst Alltag. Konstruktive und umsetzbare Verbesserungsvorschläge direkt von der Basis der Vereine sind selten, Kritik über die Bedingungen und nicht zuletzt Klagen über die Belastung dominieren.
Ich war in den letzten vier Wochen bei zwei so genannten Klassentagungen des Berliner Fußball-Verbands. Bei der Landesligasitzung waren von 31 Vereinen 11 anwesend. Bei der Tagung der Jugendverbandsligen waren es gar nur 8 Clubs. Woran ist das Desinteresse festzumachen? In Berlin sind die Wege, anders als in Bayern oder Brandenburg, kurz. Kein Verein muss mehr als 30 Kilometer bis zur Verbandszentrale fahren. Die Sitzungen beschränken sich auf das Wesentliche und gehen nicht bis in die tiefe Nacht. Und es besteht immer die Möglichkeit, sich mit Anregungen oder Kritik einzubringen. Trotzdem ist der Zuspruch gering. Gleichzeitig hört man am Wochenende immer wieder Gezeter über Dinge, die den Meckerern nicht passen. Dabei werden die Spielordnung und die Durchführungsbestimmungen für die Saison von den Vereinen abgestimmt. Natürlich nur von denen, die anwesend sind. Der Fußball ist in seiner Verbandsstruktur völlig demokratisch aufgestellt. Dass dieses nicht allerorten so gelebt und oder gar kultiviert wird, ist eine andere Diskussion.
Natürlich ist es die Aufgabe der Verbände, die Warnsignale ernst zu nehmen und bei unheilvollen Trends Gegenmaßnahmen einzuleiten. Die Präsidien und das ihnen zur Verfügung stehende Hauptamt müssen die Fußballerinnen und Fußballer so gut und so oft wie möglich (und sinnvoll) zusammenbringen. Das funktioniert in den letzten Jahren zunehmend schlechter. Corona und das Gewöhnen an Videokonferenzen mögen eine Rolle spielen. Auch hat der deutsche Fußball zurzeit nicht gerade viel Strahlkraft. Der Deutsche Meister steht seit Jahren schon vor der Saison fest, die Nationalteams begeistern und gewinnen zu selten. Aber auch an der Basis wirkt es oft wie in einer bleiernen Zeit. Vor allem haben viele Vereine den Übergang von den nach dem Krieg geborenen Baby-Boomern hin zu den Generationen X (1965 – 80), Y (1981 – 96) oder gar Z (ab 1997) nicht in ausreichendem Maße hinbekommen. Immer noch dominieren in den Leitungsebenen die über 60- und 70-jährigen, meist männlich und weiß. Bei den besagten Sitzungen war nicht eine einzige Frau anwesend. Selbst die Geschicke der Jugend wurden von der beschriebenen Gruppe, der ich auch angehöre, diskutiert. Aber Lamentieren hilft nicht weiter
Immerhin haben wir einige wichtige Dinge besprochen, z. B. wie wir den Umgang mit Schiedsrichtern verbessern können. Aber auch, wie die Ansetzungen der Unparteiischen sinnvoller zu gestalten wären. Es ist nicht gut, wenn bei einem Verbandsligaspiel der U19 der 17-jährige Schiedsrichter der Jüngste auf dem Platz ist oder er direkt vom unmittelbaren Ortrivalen kommt. Auch müssen sich die Entscheider bei DFB und FIFA hinterfragen, denn diese interessieren sich vor allem um die Eliteförderung, was sich schon bei den Spielern falsch ist.
Ich selbst wies auf einen vom Berliner Senat ausgelobten Fördertopf für die Euro2024 hin, in dem wenigstens 500.000,-- Euro für Projekte rund um die EURO zur Verfügung stehen und von Vereinen beantragt werden können. Voraussetzung: Es sollen nachhaltige Projekte sein, ob nun im ökologischen oder sozialen Bereich. Eine zusätzliche halbe Millionen steht für Organisationen außerhalb der Vereine zur Verfügung, die Kriterien sind dieselben. Während der zweite Topf nahezu ausgeschöpft ist, liegt von den Berliner Vereinen bisher kaum ein Antrag vor. Auch das ist ein Hinweis auf die Arbeitsfähigkeit von Fußballvereinen.
Mit der Unterstützung des Berliner Fußball-Verbands haben wir eine Projektidee eingebracht. Hierbei geht es vor allem darum, die Vereine zusammenbringen und gemeinsam über Lösungsansätze diskutieren zu lassen. Nach dem Tod des Berliner B-Jugendlichen bei einem Turnier in Frankfurt, aber auch nach anderen Ausschreitungen gab es zunächst die üblichen Reflexe: „Hohe Strafen! Mehr Ordner! Die betreffenden Vereine rauswerfen!“ Die unappetitlichen Reaktionen aus der rechtsextremen Szene, die es zuhauf gab, verkneife ich mir an dieser Stelle. Nun gibt es eine Sportgerichtsbarkeit, die zuständig ist. Der Frankfurter Fall liegt gar bei der Staatsanwaltschaft. Aber was können wir präventiv tun? Jeden Monat einen Workshop für Trainer oder Vorstände durchführen, ist nicht realistisch.
Wir müssen die Menschen in den Vereinen miteinander ins Gespräch bringen und ein neues Gefühl der Solidarität entwickeln. Wir alle können unseren Sport nur in einer funktionierenden Gemeinschaft ausüben. Das ist in den letzten Jahren bei vielen in Vergessenheit geraten. Zudem müssen wir alle lernen, mit den Herausforderungen einer vielfältigeren Gesellschaft umzugehen, denn diese zeigt sich nicht zuletzt auf dem Fußballplatz. Es geht um Respekt, um gemeinsame Spielregeln, um die Funktionsfähigkeit der Vereine.
Gemeinsam mit einer Expertin für Fußballeltern (die gibt es wirklich) haben wir uns bem FC Internationale hingesetzt und überlegt, was wirklich helfen könnte und haben zunächst drei Felder identifiziert:
- Die Stärkung der Vereins-Strukturen, vor allem der Vorstände und Gremien
- Die Stärkung von Trainerinnen und Trainern im Bereich der Sozialkompetenz
- Der Umgang mit Eltern und im besten Falle deren Einbindung in die Vereinsarbeit
In drei unterschiedlichen Veranstaltungen wollen wir nicht dozieren oder anweisen, sondern gemeinsam versuchen, die Probleme genauer zu identifizieren. Wir wollen Vereine fragen, wo der Schuh drückt und nach Verbesserungs- und Lösungsansätzen suchen. Wollen wir erfolgreich sein, können wir den Fußball nur gemeinsam weiterentwickeln. Das bedeutet, dass Verbände lernen müssen, mehr Partizipation zuzulassen, was übrigens auch für Politik und nicht zuletzt für Behörden gilt. Verantwortliche in Vereinen sind genau wie andere Menschen entnervt von Gängeleien oder der Dysfunktionalität der Kommunen, aber das ist ein Extra-Thema für eine andere Kolumne. Gemeinsam heißt aber auch, dass es konstruktive Beiträge aus den Vereinen braucht.
- Was stört oder behindert sie?
- Was würde ihnen helfen?
- Was können sie selbst zur Verbesserung beitragen?
Sport-Deutschland hatte schon bessere Tage, nicht nur im Fußball. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir eine Wende hin zu besseren Ergebnissen nur hinkriegen, wenn wir die Basis der Vereine und Sporttreibenden motivieren, sich auch abseits des Platzes zu engagieren. Mit Top-Down-Strategien werden wir nicht weit kommen, ebenso wenig mit der Haltung „Die da oben müssen machen!“. Es geht nur gemeinsam. Im besten Falle entwickeln wir gemeinsam eine Aufbruchstimmung für den Sport, schaffen die Voraussetzungen dafür, dass Engagement in Vereinen wieder mehr Spaß macht.
Die großen Verbände DFB und Deutscher Olympischer Sportbund sind hier gefordert. Bei beiden Organisationen sind viele neue Leute in den Präsidien, sie sollten den Beweis antreten, dass ihnen am Aufbruch gelegen ist. Zwei große Kongresse stehen an: Der DFB-Amateurkongress vom 22. – 24. September und zwei Wochen vorher (07. + 08.09.) das Dialogforum Sportentwicklung des DOSB. Ein guter Anfang.
Ich wünsche mir vor der kommenden EURO2024 und den kurz davor anstehenden Europawahlen, dass wir eine große Kampagne für den gesamten Sport hinbekommen. Nicht nur mit Plakaten und Social-Media-Posts, sondern mit ehrlicher Begeisterung und echter intrinsischer Motivation vieler Menschen. Aus den Vereinen, den Verbänden, der Zivilgesellschaft, der Politik und nicht zuletzt der Wirtschaft. Denn die hat nicht nur aufgrund des Fachkräftemangels ein besonderes Interesse an der Ausbildung von Persönlichkeit in den Vereinen. Unser Land ist inzwischen ziemlich zerrissen, das offensive Eintreten für Freiheit, Demokratie und Wohlstand ist genau wie die Mitbestimmung und das Engagement vielen zu anstrengend. Der Sport hat wie kaum sonst etwas die Möglichkeit, die Leute wieder zu einer Einheit zusammenzuführen.
Jugendfußball: »Das Sommerturnier - eine Institution geht verloren!«
Hartplatzhelden-Kolumne # 70: Ein Turnier im Sommer ist ein großartiges Gemeinschaftserlebnis für den kompletten Verein. Es bedeutet aber auch Aufwand. Leider zu viel Aufwand für viele Eltern von heute. Von MICHAEL FRANKE
Es gibt viele gute Gründe für Jugend-Sommerturniere. Als sozialer Event für den gesamten Verein, als Möglichkeit des sportlichen Vergleichs mit unbekannten Teams und nicht zuletzt als wunderbare Möglichkeit, die Jugendkasse ein wenig aufzufüllen.
In den vierzehn Jahren meiner Tätigkeit als Jugendtrainer hatte jede Saison ihr unbestrittenes Highlight: das große eigene Sommerturnier am eigenen Platz. Die Mütter brachten Kuchen, Spielergeschwister verkauften ihn, Väter grillten oder waren Schiedsrichter. Und die restliche zumeist vollzählige Elternschaft feuerte fleißig an.
Alle Spieler bekamen selbstverständlich ihre Einsatzzeiten. Ein großes Happening, an dessen Ende selbst Spieler, die in ein Nachwuchsleistungszentrum eines großen Vereins wechselten, mit Applaus und Pokal verabschiedet wurden. Es war immer ein großartiges Gemeinschaftserlebnis für den kompletten Verein.
Fünfstündige Turniere mit zehn Mannschaften und elend langen Leerzeiten zwischen den Spielen sind im Hochsommer nicht immer nur Spaß. Früher zogen wir es immer durch. Absagen war nie eine Option, das galt für sehr viele Vereine. Aber ich hatte mich schon immer gefragt, ob das ewig gutgeht, denn es bedeutet Aufwand.
Mittlerweile ist die Stimmung leider gekippt. Es gibt immer weniger Bereitschaft von Eltern, sich im eigenen Verein zu engagieren. Oft kommen Turnierabsagen sehr kurzfristig. Zumeist mit der Begründung Spielermangel, weil sich für die Eltern mancher Spieler kurzfristig eine attraktivere Alternative für das Sommerwochenende ergeben hat.
In der Folge werden Turnierpläne zerschossen, Grillgut und Kuchen bleiben liegen, immer weniger Zuschauer verlieren sich um den Platz. Die Luft scheint aus der Institution Sommerturnier raus zu sein. Für immer? Ich hoffe nicht. Es ginge viel verloren.
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Wettbewerbsverzerrung: »Muss ich immer mit der besten Elf antreten?«
Hartplatzhelden-Kolumne # 66: In der Schlussphase der Saison geht es für die einen um alles. Die anderen nutzen sie für die Entwicklung der Mannschaft und nehmen Niederlagen in Kauf. Dieses Dilemma ist gar nicht so einfach zu lösen. Von MICHAEL FRANKE
Da ist sie also wieder: die Schlussphase der Saison, neudeutsch „Crunchtime“. Einzelne Spiele werden plötzlich zur Schicksalsfrage. Jeder Punkt zählt, wenn es um Auf- oder Abstieg geht. In den betroffenen Teams geht es rund. Da werden schnell noch Trainer getauscht oder Spieler aus dem Ruhestand reaktiviert. Es ist die intensivste Phase der Saison. Wenn es unklar ist, wohin es nächstes Jahr geht. Auch wenn es im Amateurfußball weder um ligenabhängige Sponsoren oder TV-Gelder geht – jede und jeder möchte gerne auf-, niemand möchte absteigen.
Letztlich sind von diesem Druck in der Regel nur wenige Teams betroffen. Manche stehen bereits als Auf- oder Absteiger fest. Andere rangieren im Niemandsland der Tabelle. Dort stellt sich die Frage, wie man mit der frühzeitigen Erreichung des Klassenerhalts umgehen kann.
Ohne Druck das Spiel erleben – als Spieler habe ich diese Spiele immer genossen. Und als Trainer nutze ich sie gerne. Spiele mit Wettbewerbscharakter, in denen man mal was probieren kann, in denen plötzlich das Spiel und nicht das Ergebnis im Vordergrund steht, sind für den Jugendcoach eine wunderbare Angelegenheit.
Das Problem: Trifft man in einer solchen Situation auf Teams, für die es um alles geht, wird es kompliziert. Ist es unsportlich, sich personell bereits auf die Folgesaison vorzubereiten, und die Aufstellung entsprechend anzupassen? Ist es unsportlich, neue taktische Abläufe im Wettkampf zu testen? Ist man verpflichtet, immer mit der aktuell besten Mannschaft anzutreten? Oder darf ich als Trainer die langfristige Entwicklung im Blick haben? Wird ein Dritter Opfer meiner Experimente, betreibe ich Wettbewerbsverzerrung?
Das ist schwierig zu beantworten. Denn es ist selbstverständlich, dass die Konkurrenz von allen Teams vollen Einsatz bis zum Ende erwartet. Andererseits ist es legitim, eine gesicherte Position sinnvoll für die eigene Entwicklung zu nutzen. Eindeutige Lösungen gibt es aus meiner Sicht keine. Oft hilft nur ein Kompromiss, auch das lernt man im Fußball.
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Extremisten raus aus meinem Verein? Die Satzung macht‘s möglich
Hartplatzhelden-Kolumne # 65: Für Vereine kann es zum massiven Problem werden, wenn sich extreme Gesinnungen im Club breitmachen oder sogar Strukturen bilden. Ein Überblick über die rechtliche Lage von FABIAN REINHOLZ
Wie wird man unliebsame Vereinsmitglieder los? Vor ein paar Jahren habe ich auf einer Veranstaltung zum Thema „Rechtsextremismus im Verein“ vor Vertretern diverser Sportvereine referiert und erklärt, unter welchen Umständen Vereine Mitglieder ausschließen können, die nachweislich in politisch extremen Vereinigungen oder Gruppierungen aktiv sind. Für Vereine kann es zur großen Herausforderung werden, wenn sich extreme Gesinnungen verfestigen.
Bis dahin waren wenige Fälle bekannt, in denen Gerichte über den Ausschluss aus Vereinen entscheiden mussten. Dem SV Werder Bremen gelang es 2011, sein damaliges Mitglied Jens Pühse aus dem Verein zu werfen. Pühse war Spitzenkandidat der Bremer NPD, ihm wurde vorgeworfen, die Vereinsmitgliedschaft für Wahlkampfzwecke missbraucht zu haben. Seine Klage gegen den Vereinsausschluss scheiterte, weil das Landgericht Bremen fand, dass die Entscheidung des Vereins von der Satzung gedeckt gewesen sei. Ähnliches gelang dem Landessportbund Sachsen-Anhalt im Jahr 2015. Mehrere Spieler des Clubs FC Ostelbien Dornburg gehörten laut Verfassungsschutz zur rechtsradikalen Szene, Schiedsrichter und andere Vereine beklagten Übergriffe bei Spielen gegen den Club. Der Verein wurde aus dem Verband ausgeschlossen. Dagegen gerichtete einstweilige Verfügungsanträge der Dornburger wies das OLG Naumburg zurück. Auch hier sahen die Richter die Entscheidung von der Verbands-Satzung gedeckt.
Im aktuellen Fall ging der Rechtsstreit sogar bis nach Karlsruhe zum Bundesverfassungsgericht. Der Landesvorsitzende der Hamburger NPD, Lennart Schwarzbach, war 2019 von seinem Verein TSV Appen (ein Club in Schleswig Holstein, kurz vor Hamburg) wegen seiner Parteizugehörigkeit ausgeschlossen worden (FAZ berichtete). Der Verein hatte zuvor mehrfach erfolglos versucht, das Mitglied auszuschließen. Dann änderte er seine Satzung wie folgt:
„Grundlage der Vereinsarbeit ist das Bekenntnis aller Mitglieder des Vereins zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung. (…) Der Verein tritt allen extremistischen Bestrebungen entschieden entgegen. Der Verein bietet nur solchen Personen die Mitgliedschaft an, die sich zu diesen Grundsätzen bekennen. Mitglieder von extremistischen Organisationen gleich welcher politischen Ausrichtung, sowie Mitglieder rassistisch und fremdenfeindlich organisierter Organisationen oder religiöser Gruppierungen, wie z.B. der NPD und ihre Landesverbände, können nicht Mitglied des Vereins werden.“
Nach der Satzung können Mitglieder, die insoweit gegen die Satzung verstoßen, ausgeschlossen werden. Und so geschah es auch im Fall „Schwarzbach“. Den Ausschluss hat das Mitglied erfolglos bei den Zivilgerichten angefochten. Vor die Zivilgerichte geht so etwas deshalb, weil es sich um eine privatrechtliche Streitigkeit handelt: Verein und Mitglied sind Personen des Privatrechts, der eine die juristische, der andere eine natürliche Person.
Schwarzbach erhob Verfassungsbeschwerde. Das Bundesverfassungsgericht nahm die Verfassungsbeschwerde aber nicht zur Entscheidung an. Das macht das Verfassungsgericht mit mehr als 90% der Verfassungsbeschwerden, ist also der Regelfall.
Die Verfassungsbeschwerde wird vom Bundesverfassungsgericht nicht angenommen, wenn sie keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung hat oder wenn sie zur Durchsetzung eigener verfassungsmäßiger Rechte der Beschwerdeführer nicht angezeigt ist. Daher geht auch jeder Nichtannahmeentscheidung eine intensive Rechtsprüfung voraus. Die Nichtannahme muss vom Gericht nicht einmal begründet werden. Auch hier ist es so, dass nicht begründete Nichtannahmeentscheidungen die Regel sind. Wer sich darüber mehr informieren möchte, mag einmal hier auf der Website des BVerfG vorbeischauen oder oder sich das sehr informative Interview von Jung&Naiv mit Andreas Voßkuhle (Präsident des BVerfG a.D.) ansehen.
Im Fall „Schwarzbach“ hat das BVerfG die Nichtannahme sogar begründet. Ich fasse mal zusammen:
1. Schwarzbach beruft sich darauf, durch den von den Instanzgerichten bestätigten Vereinsausschluss in seinem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG verletzt zu sein. Danach darf niemand aufgrund seiner politische Anschauung diskriminiert werden. Schwarzbach argumentiert somit in der Art: seine Parteizugehörigkeit und seine politische Anschauung sei allein seine Sache, sie dürfe kein Grund dafür sein, dass er nicht Mitglied in einem Sportverein sein darf (Menschen anderer politischer Anschauung aber schon). Zudem ist die Verfassungswidrigkeit der NPD bis heute nicht festgestellt bzw. hat sie nicht zu einem Verbot der Partei geführt. Zuletzt scheitere ein Verbotsverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht 2017. Zwar wurde der NPD bescheinigt, mit ihren Prinzipien die demokratische Werteordnung grob zu missachten. Es fehle jedoch an gewichtigen Anhaltspunkten, dass ihr Handeln diese Wertordnung konkret gefährdet.
2. Wieso darf sich Schwarzbach überhaupt auf Grundrechte berufen? Grundrechte geltend nämlich gar nicht zwischen Privaten, weil Grundrechtsadressat die öffentliche Gewalt (der Staat) ist. Nur gegenüber Maßnahmen des Staates kann man sich auf Verletzung von Grundrechten berufen. Ausnahme ist die sog. mittelbare Drittwirkung von Grundrechten. Grundrechtsverletzungen können daher auch ausnahmsweise im Privatrechtsverkehr geltend gemacht werden, wenn ein Zivilgericht in einem Streit unter Privaten grundrechtliche Wertvorgaben nicht beachtet. Nach Auffassung des Beschwerdeführers: die Verletzung des Diskriminierungsverbots (siehe oben).
3. Die Verfassungsrichter meinen, es könne dahinstehen, inwieweit Schwarzbach wegen seiner politischen Ansichten durch den Vereinsausschluss benachteiligt werde. Maßgeblich sei nämlich, dass sich der Verein seinerseits auf Grundrechte berufen könne. Aufgrund der Vereinsautonomie (Art. 9 Abs. 2 GG – Vereinigungsfreiheit) könne der Verein nämlich selbst bestimmen, wer Mitglied sein darf und wer nicht. Wenn sich der Verein dabei an seine satzungsmäßigen Vorgaben halte und diese nun mal an einer freiheitlich-demokratischen Grundordnung und gegen politischen Extremismus orientiert sind, sei das nicht zu beanstanden. Im Übrigen lasse sich auch aus dem Grundgesetz das Recht ableiten, sich gegen verfassungsfeindliche Bestrebungen zur Wehr zu setzen, zB aus Art. 9 Abs. 2 GG (Vereinsverbot) und Art. 21 Abs. 2 GG (Parteiverbotsverfahren).
Merke also:
- Es gibt keine gesetzlichen Bestimmungen, die den Ausschluss von Vereins-Mitgliedern regeln.
- Ausschlussgründe müssen sich daher aus der Vereins-Satzung ergeben. Die muss insoweit klar und verständlich sein.
- Gerichtliche Kontrolle erstreckt sich darauf, ob
- verbandsinternes Ausschlussverfahren eingehalten wurde, das den elementaren rechtsstaatlichen Normen und der verbandseigenen Verfahrensordnung entspricht,
- die verhängte Maßnahme eine Stütze in der Satzung findet,
- die zugrundeliegenden Tatsachen fehlerfrei ermittelt wurden und
- die Maßnahmen nicht grob unbillig oder willkürlich sind.
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Mehr Mitsprache für Amateure: »Wir sind 99 Prozent!«
Hartplatzhelden-Kolumne # 62: Alle fordern Vielfalt und Diversität im Fußball. Ich auch, aber ich denke vor allem an eine Minderheit, an die sonst keiner denkt: uns Amateure. Von GERD THOMAS
Mit großer Attitüde schwingen sich immer mehr Menschen auf, den Fußball in Deutschland zu retten. Ex-Funktionäre, Fanforscher, Investorinnen, Medienschaffende. Dem DFB werden jede Menge Tipps geschenkt: Zu wenig Haltung! Zu viel Politik! Zu wenig Konzentration auf den Sport! Zu viele Dilettanten! Zu wenige Frauen! Und vor allem: Zu viele alte weiße Männer!
Eine Bezeichnung, die auf Aki Watzke, Rudi Völler und Karl-Heinz Rummenigge zutrifft. Auf mich im Übrigen auch, aber ich habe nicht ansatzweise deren Bedeutung. In diesen Topf werden allerdings auch Menschen in den besten Jahren wie Oliver Kahn, Matthias Sammer, und sogar Oliver Mintzlaff geworfen werden.
Ein Mitglied der zweiten DFB-Taskforce heißt übrigens Philipp Lahm und ist 39. Viele Protagonistinnen der Diskussion wie Katja Kraus, Claudia Neumann, Gaby Papenburg sind ebenfalls längst dem Teenageralter entrückt, na und? Ok, Almut Schult und Tabea Kemme sind erst 32, aber mir ist das Alter ohnehin egal. Was mir nicht egal ist: Sie alle leisten mit der Kampagne „Fußball kann mehr“ einen Beitrag zur Stärkung der Frauen im Fußball. Andererseits, Gianni Infantino, der Mephistopheles (oder Fantomas) des Weltfußballs, wurde bereits mit 45 Fifa-Präsident. Ich kenne viele ältere Menschen, die geistig flexibel, immer offen für Neues sind, noch dazu den Vorteil jahrelanger Erfahrung mitbringen. Rege Köpfe wie die Hartplatzheldin Ute Groth oder Michael Franke sind leuchtende Beispiele, dass älter nicht verstaubt heißen muss – vom 84-jährigen Bundesverdienstkreuzträger Engelbert Kupka ganz zu schweigen.
Gleichwohl fällt auf, dass es um die Vielfalt im deutschen Fußball tatsächlich schlecht bestellt ist, aber anders als kolportiert. Menschen mit Zuwanderungshintergrund fehlen fast vollständig in den Gremien. Ebenso sind Aktive und Coaches aus dem Amateurbereich kaum Teil der Diskussion. Von Jugendlichen, Menschen mit Einschränkungen, auch aus ländlichen Gebieten, holen wir nur höchstselten Expertise ein. Aber sie alle sind die Basis. Sie sind 99 Prozent des Fußballs! Ohne sie ginge in der Bundesliga nichts, doch kaum jemand nimmt sich ihrer Sorgen an. Wir Hartplatzhelden bemühen uns darum. Allerdings ändert das wenig daran, dass die Diskussionen um den Fußball in der Regel elitär sind. Das spiegelt sich in den Medien wider. Und ob die teure DFB-Akademie etwas ändern wird, ist in Zweifel zu ziehen.
Die Süddeutsche Zeitung schrieb unlängst über die schwindende Bereitschaft von Sponsoren, sich in der Breite zu engagieren. Dabei wäre es notwendig, auch kleine und mittlere Vereine zu unterstützen, etwa deren Jugendarbeit für Mädchen und Jungen. Gern werden hehre Ziele wie Teilhabe, die Stärkung von Körper und Geist, die Stabilität der Demokratie und neuerdings die Nachhaltigkeit in den Clubs beschworen. Jüngst durfte ich in einem Podcast über nachhaltige Jugendarbeit sprechen. Doch investiert wird vor allem in die Elite, inzwischen längst nicht mehr nur bei den Männern. Klar, gleiches Recht für alle, aber wie kriegen wir dieses Recht für die 99 Prozent an der Basis hin?
Es gibt jede Menge Experten-, Taktik- und Scouting-Plattformen, doch das ist es nicht, was den Coaches und Vorständen der Breitensportvereine fehlt. Es fehlt an praktischer Unterstützung für die Funktionsfähigkeit der Vereine. Davon gibt es wenig, eine Ausnahme stellt die nimmermüde Marthe Lorenz mit ihrer Organisation „Klubtalent“ dar. Immerhin stellt der DFB auf seinen digitalen Seiten eine Reihe von Best-Practice-Beispielen zur Verfügung, eine Forderung des letzten Amateurkongresses. Sonst hört man von den im Präsidium für Jugend und Amateure Zuständigen sehr wenig zur Zukunft des Breitenfußballs. Demnächst stehen zwischen Profis (DFL) und Amateuren (DFB) wieder Verhandlungen über die Verteilung der TV-Milliarden an. Aber welche Position vertreten die Verhandler für die Basis? Wie kommt ein Forderungskatalog zustande? Wer wird zu Rate gezogen?
Auch über die Trainer- und Schiedsrichterausbildung muss geredet werden, diese orientiert sich ebenso an der Elite. Wobei mit Manuel Gräfe der beste deutsche Schiedsrichter aus Altersgründen gezwungen wurde aufzuhören. Vielleicht war er einfach zu ehrlich. Wir müssen diskutieren, wie wir mit den Problemen im Ehrenamt umgehen, wie wir noch Menschen finden, die bereit sind, die Jugendleitung zu übernehmen. Hinzu kommen die durch Corona verschärften Probleme bei Kindern, die zunehmenden Verhaltensauffälligkeiten und
Bewegungsprobleme. Ohne Computerspiele und Social Media verteufeln zu wollen, bringen diese doch Schwierigkeiten mit sich, wie viele Jugendcoaches und Lehrkräfte nicht erst seit den jüngsten Tik-Tok-Trends bestätigen.
In Berlin und anderen Ballungsräumen haben viele Vereine Aufnahmestopp, weil es nicht genügend Sportstätten gibt. Nicht erst seit dem russischen Überfall auf die Ukraine stehen aber viele Menschen mit Fluchtgeschichte vor den Vereinstoren und möchten mitmachen. Fußball ist Integration, wie alle so gern behaupten. Wirf einen Ball in die Mitte, und der Weltfrieden bricht aus. So die Theorie. In der Praxis sind viele Vereine überfordert, fehlen vielen Ehrenamtlichen interkulturelle Kompetenzen, was nicht als Vorwurf zu verstehen ist.
Doch Jammern hilft nicht weiter. Stattdessen müssen wir einen Paradigmenwechsel „Pro Amateursport“ einleiten. Die Europameisterschaft 2024 könnte helfen, denn eben die Basis von Vereinen und Fans soll dafür sorgen, dass wir ein zweites Sommermärchen (hoffentlich ohne die finanziellen Begleitumstände) schaffen. Im „Berliner Netzwerk Fußball & Gesellschaft“ arbeiten wir sogar in einer Kombination aus klassischen Sportorganisationen wie dem FC Internationale oder dem Landessportbund und nicht vereinsgebundenen Organisationen wie buntkicktgut, common goal, Amandla Safe-Hub, Gesellschaftsspiele, Sport handelt fair oder Champions ohne Grenzen daran, die Europameisterschaft zu einem Fest für möglichst viele Gruppen in der Stadt werden zu lassen. Dazu ein anderes Mal mehr.
Der DFB-Präsident Bernd Neuendorf hat angekündigt, einen Amateurkongress durchzuführen. Dieser muss so schnell wie möglich kommen. Ich empfehle die Beteiligung der Basis schon bei der Vorbereitung. Ein Ziel sollte sein, den Amateurfußball für Unternehmen und Menschen attraktiv zu machen, die in der Lage sind, diesen als Sponsoren zu unterstützen. Nicht, um auch in der Kreisliga überhöhte Gelder an die Spieler zu zahlen, sondern um die Strukturen der Vereine zu stärken. Von einem Amateurkongress muss ein Ruck ausgehen, der dem Fußball an der Basis einen echten Aufbruch beschert. Der Innovationen einleitet, Antworten auf die Herausforderungen bringt oder einleitet und einen Imagewechsel initiiert. Der den großen Wert des Amateurfußballs für die Gesellschaft verdeutlicht und klarmacht, dass unser Sport aus mehr als dem sichtbaren einen Prozent besteht. Die Euro 2024 steht im Zeichen der Nachhaltigkeit. Für mich sind dabei nicht zuletzt nachhaltige und belastbare Strukturen in den Clubs wichtig. Ohne die Vereine in der Breite ist der Fußball in Deutschland nichts. Ohne Basis kein Fußball, so einfach ist das. Rettet die Amateure. Wir sind 99 Prozent!
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