Eltern sind ein Gewinn für jeden Verein, wenn, ja wenn …

Der Umgang mit Eltern kann zu Frust führen. Doch wenn man sie gut informiert und klug einbindet, erleichtern sie die Vereinsarbeit ungemein. Von SUSANNE AMAR

Wie viele Eltern bin auch ich unwissend mit unserem Sohn in den Kinder-und Jugendfußball gekommen, hatte keine Ahnung von Vereinsstrukturen und Ehrenamt. Noch heute geht es vielen Eltern ähnlich, dabei könnten sie bereits mit niedrigschwelligen Interaktionen zu kompetenten Partnern gemacht werden.

Als wir unseren Sohn mit 6 Jahren im Fußballverein anmeldeten, dachte ich, es gibt den Trainer, den Vorstand (mit verschiedenen Aufgaben betraut) und den Platzwart. That’s it. Denn das waren die Leute, die ich am Platz gesehen habe, wenn unser Sohn trainiert oder gespielt hat. Dass viel mehr Menschen im Hintergrund arbeiten und sie dieses Engagement größtenteils ehrenamtlich leisten, habe ich erst über die Jahre erfahren.

In meiner Arbeit treffe ich auf viele Eltern, denen es ähnlich ergeht wie mir damals, und das ist nun fast zwanzig Jahre her. Und ich treffe auf viele Vereine, die klagen, dass sich die Eltern weder in die Vereins- noch in die Mannschaftsarbeit einbringen. Dabei gibt es Wege, beide Welten in Verbindung zu bringen, um gemeinsam bestmögliche Bedingungen für die Kinder und Jugendlichen zu schaffen. Denn um die geht es, um die sollte es in diesem Ballsport gehen.

Um in die Zusammenarbeit mit den Eltern zu kommen, sind zwei Fragen besonders wichtig, die sich jeder Verein zu Beginn stellen und ehrlich beantworten sollte. Denn beide sind die Basis für eine erfolgreiche Umsetzung:

1. Willst du als Verein mit den Eltern zusammenarbeiten?
Um diese Frage zu beantworten, hilft es, das Potenzial der Eltern zu (er-)kennen.

In Deutschland gib es Stand 2023 etwa 2,2 Millionen Spielerinnen und Spieler, die in gut 24.000 Vereinen spielen. Stellen wir ein kleines Rechenbeispiel an: Wird nur jedes zweite Kind von einem Elternteil unterstützt, sprechen wir noch immer von etwa einer Million Vätern und Müttern. Eine beeindruckende Zahl. Diesen „Rohdiamanten“ lassen viele Vereine links liegen.

Ist der Wunsch geweckt, Eltern ins Boot zu holen, und hat der Verein entdeckt, dass Eltern ihn in der Arbeit unterstützen können, ist der erste Baustein gelegt, auf der die Zusammenarbeit aufgebaut werden kann.

2. Was ist der Gewinn, wenn ihr mit Eltern zusammenarbeitet?
Veränderungen brauchen immer Investitionen: zeitlich, finanziell, personell. Und sie müssen attraktiv sein. Damit wir in den Prozess gehen, ist es daher wichtig, dass wir vorher wissen, was wir davon haben und den Mehrwert kennen.

Wie gesagt, Eltern sind keine Experten im Kinder- und Jugendfußball. Doch beobachte ich immer wieder, dass das von Trainerinnen, Jugendleitungen und Vereinsfunktionären oft vorausgesetzt wird. Leider führt die Annahme, Eltern wüssten schon, was auf sie zukommt, wenn sie ihr Kind im Verein anmelden, leicht zu Enttäuschungen und Frust, da bestimmte Erwartungen nicht erfüllt werden. Häufig treffen konträre Wünsche von Verein und Eltern aufeinander, die durch den unterschiedlichen Wissensstand, die Perspektive, Bedürfnisse und Ziele ein Miteinander erschweren. Denn nur wer weiß, was von ihm/ihr gewünscht wird, kann Erwartungen erfüllen oder sich (bewusst) dagegen entscheiden. Das gilt für die Tätigkeiten innerhalb des Vereins wie solche in der Mannschaft.

Daher ist es wichtig, Eltern ausreichend und transparent über die Arbeit und den Bereich, in dem sie unterstützen sollen, zu informieren. Das kann ein Handout mit Basiswissen zum Fußball sein, die Elternseite auf der Vereinshomepage oder eine Onboarding-Mappe.

Damit bieten Vereine Eltern transparente Informationen und eine Struktur, wodurch sie Orientierung erhalten. Je besser sie das System kennen, in dem sich ihr Kind teils viele Stunden pro Woche aufhält, desto sicherer fühlen sie sich und vertrauen Trainern und Trainerinnen und Verein. Für viele die Voraussetzung, aktiv zu werden und ebenfalls ins Hobby ihres Kindes zu investieren. Denn die meisten Eltern möchten, dass es ihrem Kind gut geht, dass es glücklich ist bei dem, was es macht.

Die Befriedigung dieses Bedürfnisses hilft Vereinen, die Notwendigkeit der Zusammenarbeit zu verdeutlichen. So sehen beide Seiten – Verein und Eltern – wie Gewinn und Investitionen in Zusammenhang miteinander stehen, sodass der Kinder- und Jugendfußball für alle mehr Spaß und Entspannung statt Frust und Stress ist. Gleichzeitig stärkt und unterstützt das Miteinander das Ehrenamt im Amateursport.

Ich weiß, dass der Einstieg in die Elternarbeit zu Beginn eine Herausforderung sein kann. Daher mein Rat an die Vereine: Wählt kleine, umsetzbare Ziele, holt euch Unterstützung innerhalb und außerhalb des Vereins und seid geduldig mit euch und den Eltern. Im Fußball benötigt auch jede neue Taktik eine gute Vorbereitung und Zeit, um erfolgreich umgesetzt zu werden. So ist es auch in der Zusammenarbeit mit den Spielereltern.

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Neue Wege im Kinderfußball: Training ja, Wettbewerb nein?

Hartplatzhelden-Kolumne #95: Ein Münchner Verein hat aus der Not heraus ein Fußballangebot für Kinder entwickelt, das dem klassischen Modell widerspricht. Aber regen Zulauf erfährt und offenbar Spaß macht. Von MICHAEL FRANKE

Um einen geregelten Spielbetrieb durchzuführen, brauchen Mannschaften jeder Altersklasse mittlerweile deutlich vergrößerte Kader. Die sinkende Bedeutung des Vereinssports in unserer Gesellschaft hat zur Folge, dass Spieler am Wochenende seltener zur Verfügung stehen. Urlaube, Ausflüge und der beliebte Besuch bei der Oma erschweren es Vereinen, Spieltage zu planen und umzusetzen.

Zudem führen ein verändertes Freizeitverhalten, der innerfamiliäre Anspruch, aber auch die flexibler gewordene Berufswelt dazu, dass es ehrenamtlichen Trainerinnen und Betreuern zunehmend schwerer fällt, regelmäßige persönlich anwesend zu sein. Und viele Eltern und Kinder haben keine große Lust mehr auf schreiende Trainer und aggressive erwachsene Zuschauer.

Es spricht also einiges für neue Wege im Kinderfußball. Ein Beispiel dafür gibt ein Verein in München, dem wir Beachtung schenken sollten. Westend United, im Münchner Westend angesiedelt, hat wie viele andere Vereine eine Aufnahmesperre, weil die Kapazitäten erschöpft sind.

Der Verein hat sich allerdings etwas ganz Besonderes einfallen lassen: Auf einer Schulsportwiese trainieren dort einmal wöchentlich insgesamt rund 500 Mädchen und Jungen in den unterschiedlichen Altersklassen. Einen Spielbetrieb gibt es nicht, also auch keine Pöbeleien, keine Angst vor dem Abstieg, keine Verpflichtung am Wochenende und nicht mal einen Anpfiff, wenn mal ein Training ausfällt. Ein sehr niedrigschwelliges Fußballangebot, das regen Zulauf erfährt. Und offenbar Spaß macht.

Kann dieses Konzept außerhalb des Verbands für manche Vereine eine Alternative sein? Puristen werden die Augen verdrehen. Fußball ohne Spielbetrieb – undenkbar. Realisten sehen aber die enormen Vorteile des Konzepts: kein Wochenendstress, keine frustrierenden Erlebnisse, kein Stress mit Eltern, kein aufwendiger Spielbetrieb, keine aufwendige Administration mit Spielerpässen, Spielrechten und Strafzahlungen.

Je länger diese Dinge durch den Kopf schwirren, umso klarer wird, dass dieses Konzept definitiv seinen Raum finden wird. Vermutlich werden viele Vereine ins Grübeln kommen. Wie ich auch. Fußball soll ja vor allem Spaß machen. Und das Prinzip „Westend United“ verspricht viel davon!

Wer sich genauer informieren möchte, hier entlang: https://www.westend-united.de/

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EM-Euphorie? »Sind traurig, weil wir Kinder heim schicken müssen!«

Hartplatzhelden-Kolumne #88: Die jahrelange Phase vor der Euro 2024 hätte genutzt werden können, Fußballplätze zu bauen. Ist nicht passiert, jetzt können wir keine Kinder mehr aufnehmen. Von TIM FROHWEIN

Die Saison unserer U9 hat begonnen. Eigentlich sollte ich voller Vorfreude sein, aber eine Sache macht mich traurig: Wir vom FC Dreistern München mussten nach den Sommerferien wieder einigen Kindern eine Absage geben und sie auf unsere Warteliste setzen. Nicht, weil sie die sportliche Qualität nicht mitbringen – das ist für uns als Trainerteam überhaupt nicht relevant.

Es liegt daran, dass wir schlichtweg die Platzkapazitäten nicht haben. Unsere Bezirkssportanlage ist mit mehr als siebzig Mannschaften die am stärksten ausgelastete Anlage in ganz München, drei Vereine teilen sich drei Kunstrasen- und drei (regelmäßig gesperrte) Rasenplätze. Wenn wir weitere Kinder aufnehmen und damit unseren 23 Kinder umfassenden Kader vergrößern würden, müssten wir eine neue Mannschaft bilden. Und die hätte dann zu unseren Trainingszeiten am Dienstag und am Donnerstag keinen Platz.

Zeitgleich erzählt mir letzte Woche ein vom Land stammender Trainerkollege, dass sie in seinem Heimatverein im Kinderbereich mittlerweile mit vier Vereinen eine Spielgemeinschaft bilden müssen, um eine Mannschaft stellen zu können. Die modernen und wunderbar instandgehaltenen Sportflächen der kleinen Gemeinden werden kaum genutzt. Das bekannte Stadt-Land-Dilemma.

„In der Stadt, wo es viele junge Menschen gibt, fehlen die Sportanlagen, auf dem Land gibt es die, aber es fehlen die Sportler.“ Das hat Rainer Koch 2017 gesagt, damals in seiner Funktion als Präsident des Bayerischen Fußballverbandes und Vizepräsident des DFB. Das ist bald acht Jahre her.

2018 wurde die EURO 2024 nach Deutschland vergeben. Dann hätte jedem klar sein müssen: Es wird in den nächsten Jahren, spätestens aber ab dem Sommer 2024 einen Run auf die Fußballvereine geben. Man hätte längst beginnen können, die sportliche Infrastruktur, gerade in den Städten, zu modernisieren und auszubauen.

Im Herbst 2024 müssen wir konstatieren: Das ist nicht passiert. In den Ballungsräumen werden in ganz Deutschland wieder massenhaft EM-euphorisierte Kinder auf Wartelisten geparkt, gezwungenermaßen. Einfach traurig.

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»Wir sollten Trainer unterstützen statt ihnen auf die Nerven zu gehen«

Hartplatzhelden-Kolumne #87: Lothar Matthäus hat sich von Eltern, die wenig Ahnung haben, aber viel Meinung, vertreiben lassen. Es wird Zeit, dass wir an Jugendtrainer realistische Ansprüche stellen. Von GERD THOMAS

Lothar Matthäus hat vor den Eltern der E-Jugend beim SV Grünwald kapituliert und schmeißt hin. Viele genervte Jugendtrainer applaudieren ihm. Matthäus hat erlebt, was sie seit Jahren kennen. Am Spielfeldrand zeigen Eltern viel Energie, beim Engagement im Ehrenamt leider weniger.

Viele ihrer Tipps sind schlicht falsch. Eltern verwechseln den Fußball aus dem Fernsehen mit dem Amateursport. Sie erwarten von Kindern Dinge, die Erwachsene nicht hinkriegen. Sie schätzen die Arbeit der Trainer falsch ein und übersehen, was alles dranhängt. Meist, weil sie es schlicht nicht wissen. Die Vereine klären neue Mitglieder darüber nicht auf. Viele Clubs sind halt froh, wenn sie irgendjemanden finden, der oder die sich um Training, Spiel, Trikotwäsche kümmert.

Man muss viel Erfahrung und ein dickes Fell mitbringen, um als Jugendtrainer über eine ganze Saison Freude und am besten auch noch Erfolg zu haben. Wobei die Definition von Erfolg sehr unterschiedlich ist. Matthäus sagte zu Sky: „Wenn ich die E-Jugend in Grünwald trainiere, dann will ich jedes Spiel gewinnen. Neun Spiele, neun Siege bisher. Ich bin aber auch unzufrieden. Heute haben wir unser letztes Punktspiel gehabt, 14:0 gewonnen. Da sage ich, wir müssen 25:0 gewinnen, weil wir sehr viele Chancen gehabt haben.“

Es darf hinterfragt werden, ob Matthäus nur Opfer war und allein die Eltern die Verantwortung für das Zerwürfnis tragen. Vielleicht war die Geschichte auch ein wenig anders. Oder wurde zumindest nicht vollständig erzählt. Denn nicht nur Eltern verfolgen eigene Ziele, nachzulesen bei meinem Hartplatzhelden-Freund Michael Franke.

Doch was macht eigentlich einen guten Trainer aus? Nach der durchwachsenen Bilanz der Olympioniken heißt es von wissenschaftlicher Seite: „Wir müssen mehr Trainer ausbilden, es fehlt die sportliche Kompetenz.“ Schon im frühen Alter sollten Kinder besser betreut werden, dort würden die Grundlagen vermittelt. Wer würde dem widersprechen?

Die Realität steht dem leider oft im Weg. Über die marode Infrastruktur habe ich oft geschrieben. Die Malaise haben Breitensport und Schule gemeinsam. Parteien haben jüngst wieder Wahlkampf am ersten Schultag gemacht und ABC-Schützen und Eltern beschenkt. Für den Bildungserfolg wären zumutbare Klassenräume und Schulsporthallen sowie genügend (auch sportkundiges) Lehrpersonal hilfreicher. In der Schule werden die Grundlagen für Lernerfolg, Bewegungsfähigkeit und Demokratieverständnis früh angelegt. In Sportvereinen auch. Unterstützung ist von Nöten!

Von einem Fußballtrainer wird oft nicht weniger als vom Lehrpersonal erwartet, obwohl ihm die langjährige Ausbildung ebenso wie die finanzielle Wertschätzung fehlt. Die Übungsleiterpauschale, bis 250 Euro im Monat steuerfrei, ist nur wenigen vorbehalten, meist Trainern von Leistungsteams. Frei nach Eckart von Hirschhausen: „Wir können nicht ehrenamtlich retten, was andere hauptberuflich zerstören.“

In vielen Vereinen gibt es für die Coaches eines Kleinkinderteams ohne Wettbewerb oder einer „unteren“ Mannschaft, sagen wir eine 2. B-Jugend mit zwanzig 14- bis 16-jährigen Heranwachsenden, gar nichts. Was bedeutet: Die Trainer bringen Geld mit, denn sie müssen zu Auswärtsspielen oder zum Training fahren, telefonieren und Nachrichten schreiben und vieles mehr.

Was Trainer alles leisten sollen, beschreibt und bespricht meine Kollegin Susanne Amar wieder fachkundig: https://ins-netz-gegangen.info/. Bei der von uns beiden gemeinsam durchgeführten Reihe zur Stärkung des Ehrenamts tauchten diese Dinge immer wieder auf:

  • fehlende Wertschätzung des Ehrenamts
  • Überforderung und Überlastung von Vorständen
  • gestiegene Anforderungen an die Kommunikation
  • Probleme, Ehrenamtliche zu gewinnen und zu betreuen

Die Ergebnisse werden in den nächsten Wochen aufgearbeitet und in der großen Abschlussveranstaltung am 8. November in der Sportschule des Landessportbundes Berlin vorgestellt.

Vieles war früher einfacher, was nicht heißt, dass es besser war. Als ich um 1980 die B-Jugend des TSV Aspensen trainierte, gab es wenig Stress mit den Spielern, obwohl ich mit heutigem Wissen ein eher lausiges Training anbot. Häufig standen Spieler rum. Wie bei uns Herrenspielern gab es viele Übungen ohne Ball, taktisch waren wir weit zurück. Zudem gab ich viel zu viele unklare Anweisungen.

Eltern waren damals kaum zu sehen. Beim Training sowieso nicht, auf dem Dorf waren Nine-to-five-Jobs die Ausnahme. Handys gab es nicht, also auch keine Eltern-Chats. Am Wochenende hatte ich Mühe, neben dem eigenen drei Autos für die Auswärtsspiele zu organisieren. Meist fuhren Mütter mit, die keinerlei Ambitionen hatten, sich in Aufstellung, Auswechslungen oder Taktik einzumischen.

Heute sind die Erwartungen um ein Vielfaches höher. Das Internet bietet zwar viele Seiten zur Wissensvermittlung, doch werden diese von den Laien am Spielfeldrand oft falsch interpretiert. Die Taktikanalysen im TV helfen nicht, denn dort wird von Profifußball gesprochen. Die Fragen im Jugendfußball lauten:

Wie können wir…

  • den Erwartungen gerecht werden?
  • die Trainer unterstützen?
  • die Ansprüche reduzieren?

Vor allem der letzte Punkt treibt mich um. Wir müssen den Umfeldern klarmachen, dass ein Jugendtrainer nicht Pädagoge, Athletikexperte, Taktikfuchs, Moderator, Kommunikationswunder, Technik-Guru und Fan-Bändiger in einem sein kann und am besten noch Wissen über Ernährung und Sportverletzungen mitbringt.

Das Wichtigste wird gern übergangen: Sozialkompetenz. Wir können die größten Fußballexperten sein. Aber wenn wir das Wissen nicht vermitteln, hilft alles nichts. Am Ende müssen Übungen, Spielformen und die Freude in den Köpfen der Kinder ankommen und von dort in die Füße wandern.

Vermutlich braucht es nach der Reform des Kinderfußballs eine Diskussion über die Trainerausbildung. Mit Einbeziehung von Praktikern der Basis. Dazu hört man von Seiten des DFB-Präsidiums leider nichts. Wer ist eigentlich hauptverantwortlich für die Grundlagen und Förderung des Breiten- und Amateurfußballs inklusive Qualifikation sowie Stärkung des Ehrenamts?

Wir haben beim FC Internationale die Zahl der Trainerinnen und Trainer erhöht, geben ihnen mehr Hilfe und haben die hauptamtliche Unterstützung stark ausgebaut. Das kostet Geld, das an anderen Stellen fehlt. Die Diskussion um die finanziellen Prioritäten in den Clubs ist schwierig, manchmal leidenschaftlich wie bei einer VW-Betriebsversammlung.

  • Wie müssen sich Vereine für die Zukunft aufstellen?
  • Wo können sie einsparen und in die Zukunft investieren?
  • Was können sie Mitgliedern abverlangen?
  • Wie schaffen wir im Verein mehr Gerechtigkeit?
  • Wer ist bereit, finanziell mehr zu leisten?

Der Jugendfußball braucht Verbündete, nicht zuletzt in der Wirtschaft. Da die Vereine Vielfalt und Zusammenhalt stärken sowie belastbare und teamfähige Fachkräfte entwickeln, kann man von einer Schicksalsgemeinschaft sprechen. Wir brauchen vermögende Menschen, die Solidarität für Finanzschwächere vorleben und Altruismus nicht für ein frühere Kunstepoche aus Osteuropa halten. Trainer und Vorstände müssen gestärkt werden. Jetzt mehr denn je.


»Der falsche Traum«: Wie Erfolgsdruck Kindern und Vereinen schadet

Hartplatzhelden-Kolumne #84: Auch diese EM treibt viele Kinder in unsere Fußballvereine. Das ist gut, doch nur die wenigsten werden Karriere machen. Habt ihr das verstanden, liebe Eltern? Von MICHAEL FRANKE

Da ist sie wieder: die Euphorie einer Fußball-Großveranstaltung in Deutschland. Es waren tolle Bilder von der EM 2024. Fanmärsche, die Freude bereiten. Singende Schotten, tanzende Holländer und gemeinsame Freude in den Fanzonen. In meinen Augen war es die europäischste alle Euros, verbindend in der Begeisterung. Das kann der Fußball wie kein anderer Sport. Da fällt der versuchte Missbrauch der Begeisterung für politische Zwecke kaum ins Gewicht.

Zwar war das Niveau auf den Spielfeldern oft überschaubar. Nur wenige Spiele begeisterten. Doch schön, dass die deutsche Elf Highlights verursachte.

Wie erhofft wird auch diese EM im eigenen Land die Kinder wieder in die Vereine treiben. Und wieder wird er da sein, der Traum vom ganz Großen. Von der Karriere als Profi, der jubelnd über den Rasen einer der hochmodernen Fußballarenen laufen wird. Ein Traum, den oft nicht nur die Kinder, sondern die ambitionierten Väter und Mütter in sich tragen.

Aber ein Traum, der im Grunde fast ausnahmslos eines bleibt: ein falscher Traum. Eine einfache Rechnung zeigt die Wahrscheinlichkeit. In Deutschland spielen aktuell 1,4 Millionen Kinder zwischen sechs und vierzehn Fußball im Verein. Dagegen stehen etwa 1.000 in Deutschland ausgebildete Spieler in den obersten drei Profiligen. Die Wahrscheinlichkeit der Profikarriere liegt bei so skizzierten 0,0007 Prozent oder 0,007 Promille. Studien zeigen, dass es am Ende sogar nur gut zwei von hundert Spielern der U19-Bundesligen gelingt, später im Profifußball Fuß zu fassen.

Wäre es angesichts dieser Zahlen nicht an der Zeit, den Fußball wieder sein zu lassen, was er am besten kann: der einfachste Weg, Menschen zusammenzubringen. Der Ball kennt keine Grenze, kein Geschlecht, keine Sprache, keine Hautfarbe und keine Religion. Der Ball ist tolerant und neutral. Das macht ihn so stark.

Sollte das nicht das Hauptargument sein, um einem Verein beizutreten: gemeinsam einem Hobby nachzugehen, das so viele von uns verbindet? Einfach Fußball spielen? Einfach Spaß mit Freunden haben? Einfach abschalten.

Die Realität ist anders. Die sportliche Entwicklung der Kinder, ihre Karriere, steht über allem. Da wird gescoutet, gewechselt und analysiert. Immer im Fokus: der nächste Schritt. Angesichts der Zahlen stellt sich die Frage. Der nächste Schritt wohin?

Dass ein Talent unentdeckt bleibt, ist im System der Stützpunkte, Auswahlteams und Scouts nicht mehr möglich. Also stellt sich die Frage: Warum lässt man die Kinder sich nicht dort entwickeln, wo sie sind? Wo Freunde sind, wo soziale Kontakte neben dem Fußballverein möglich sind, wo Kinder den Verein als Heimat erleben? Dass Ausnahmetalente besonders zu fördern sind, steht außer Frage. Nur sind es eben zumeist die Eltern, die das Ausnahmetalent exklusiv erkennen. Und damit die Kinder und auch die Trainerinnen sinnlos unter Druck setzen.

Die einseitige Fokussierung auf die sportliche Entwicklung schadet nicht nur den Kindern, sondern auch den Vereinen. Der immerwährende “nächste Schritt” unterdrückt die Chance, Kinder an den Verein zu binden, und setzt die Vereine unter Druck, immer professionellere Strukturen auszubilden, um im Rennen zu bleiben.

Diese Strukturen beruhen bekanntlich auf den Schultern von ehrenamtlich engagierten Menschen, die ihr Ehrenamt im Regelfall in der sozialen Bindung zum System Verein sehen. Und hier liegt das Problem. Ehrenamtliche Vereine, die versuchen, professionelle Strukturen zu simulieren – das kann nicht gut gehen. Entweder wenden sich die Ehrenamtler frustriert ab oder die professionell orientierten Eltern suchen mit den Kindern den “besseren” Verein.

Und so geht es immer wieder eine Liga höher, und noch eine Liga höher, und noch eine Liga höher … ein Rennen, das für ehrenamtlich strukturierte Vereine nicht zu gewinnen ist.

Es ist an den Vereinen, sich zu entscheiden. Konsequente Professionalisierung oder die Entscheidung für den Verein als soziales, ehrenamtlich strukturiertes System. Der Versuch, beide Seiten zu bedienen, kann auf Dauer nicht gelingen. Wir haben für unseren Verein eine Entscheidung getroffen. Mehr dazu in meiner nächsten Kolumne.