Jugendfußball: »Das Sommerturnier - eine Institution geht verloren!«
Hartplatzhelden-Kolumne # 70: Ein Turnier im Sommer ist ein großartiges Gemeinschaftserlebnis für den kompletten Verein. Es bedeutet aber auch Aufwand. Leider zu viel Aufwand für viele Eltern von heute. Von MICHAEL FRANKE
Es gibt viele gute Gründe für Jugend-Sommerturniere. Als sozialer Event für den gesamten Verein, als Möglichkeit des sportlichen Vergleichs mit unbekannten Teams und nicht zuletzt als wunderbare Möglichkeit, die Jugendkasse ein wenig aufzufüllen.
In den vierzehn Jahren meiner Tätigkeit als Jugendtrainer hatte jede Saison ihr unbestrittenes Highlight: das große eigene Sommerturnier am eigenen Platz. Die Mütter brachten Kuchen, Spielergeschwister verkauften ihn, Väter grillten oder waren Schiedsrichter. Und die restliche zumeist vollzählige Elternschaft feuerte fleißig an.
Alle Spieler bekamen selbstverständlich ihre Einsatzzeiten. Ein großes Happening, an dessen Ende selbst Spieler, die in ein Nachwuchsleistungszentrum eines großen Vereins wechselten, mit Applaus und Pokal verabschiedet wurden. Es war immer ein großartiges Gemeinschaftserlebnis für den kompletten Verein.
Fünfstündige Turniere mit zehn Mannschaften und elend langen Leerzeiten zwischen den Spielen sind im Hochsommer nicht immer nur Spaß. Früher zogen wir es immer durch. Absagen war nie eine Option, das galt für sehr viele Vereine. Aber ich hatte mich schon immer gefragt, ob das ewig gutgeht, denn es bedeutet Aufwand.
Mittlerweile ist die Stimmung leider gekippt. Es gibt immer weniger Bereitschaft von Eltern, sich im eigenen Verein zu engagieren. Oft kommen Turnierabsagen sehr kurzfristig. Zumeist mit der Begründung Spielermangel, weil sich für die Eltern mancher Spieler kurzfristig eine attraktivere Alternative für das Sommerwochenende ergeben hat.
In der Folge werden Turnierpläne zerschossen, Grillgut und Kuchen bleiben liegen, immer weniger Zuschauer verlieren sich um den Platz. Die Luft scheint aus der Institution Sommerturnier raus zu sein. Für immer? Ich hoffe nicht. Es ginge viel verloren.
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Nicht der DFB ist schuld, wir selbst sind es
Das Mantra „Der DFB ist schuld“ an den Problemen der Basis habe ich satt. Erstens ist das zu undifferenziert, zweitens sollten wir Amateure uns anders als die sich der Diskussion verweigernden Profis fragen, was unser Anteil ist. Alle wissen, dass die Messlatten auch im Breitensport stetig höher gelegt werden, wenn es um die Bezahlung vermeintlicher Amateure geht. Sicher, es gibt auch in der Landesliga vereinzelt noch Ausnahmen. In Berlin zahlen neben dem FC Internationale noch zwei drei Vereine ihren Spielern kein Geld.
Aber in der Republik wirken jede Menge Funktionäre, die schon in der Kreisliga Punktprämien oder andere Zuwendungen anbieten, damit Spieler zu ihnen kommen. Oft sind das genau die Vereine, die durch schlechte oder fehlende Jugendarbeit auffallen, kaum Schiedsrichter stellen und sich auch sonst nicht positiv in die Entwicklung des Fußballs einbringen. In den Verbänden fragen sich die Verantwortlichen längst, wie derart unsolidarisches Verhalten sanktioniert werden kann. Aber gerade gegen die kreative Buchhaltung zugunsten mittelmäßiger Kicker ist noch kein Kraut gewachsen.
Wer das ruinöse Spiel nicht mitspielt, verliert jedes Jahr gute Spieler an Vereine, die oft keinen besseren Sport anbieten, aber eben viel Geld zahlen. Wie soll ein Spieler Nein sagen, wenn er ohne ein bisheriges Spiel in der Verbandsliga nun von einem Verein dort 800 Euro im Monat (in der 6.Liga!!!) angeboten bekommt, aber eben auch seine Miete für immer teurer werdende Wohnungen zahlen muss?
Dass viele Vereine es mit der Abrechnung nicht so genau nehmen, ist nicht neu. Sie spielen mit dem Feuer, wie Durchsuchungen des Finanzamts oder Zolls in Amateurvereinen zeigen. Die weit verbreiteten Scheinverträge oder Schwarzen Kassen führen schon mal zu Verurteilungen. Es gibt eine Art unheilvollen Herdentrieb (schließlich zahlen die meisten anderen auch), die Angst vor Bedeutungsverlust und oft auch fehlende Fantasie, wie man es gesünder anstellen könnte. Die Hartplatzhelden Michi Franke und Tim Frohwein haben mehrfach darauf hingewiesen, wohin die allsommerlichen Wechselarien führen. Leider finden sie sich vermehrt schon bei kleinen Kindern, bei Jugendlichen ohnehin schon seit vielen Jahren, inzwischen auch bei Spielerinnen. Auch da fließt Geld, nur mag niemand darüber reden oder gar dagegen vorgehen.
Das willkürliche Abwerben hat sogar weitaus schwerere Folgen. Viele Trainer und Jugendleiter sehen nicht mehr ein, sich leidenschaftlich in die Förderung von jungen Fußballern einzubringen, wenn andere die Früchte der Arbeit ernten. Denn je erfolgreicher ihr Engagement ist, desto mehr Spieler werden abgeworben. Wenn aber immer weniger Menschen bereit sind, sich den Strukturen des Kinderfußballs, einer Jugendleitung oder der Organisation von Spiel- und Trainingsbetrieb zu verschreiben, dann finden immer weniger junge Menschen in die Vereine.
In Berlin drehen nicht nur die kritisierten Nachwuchsleistungszentren, sondern sogar DFB-Stützpunkttrainer am Transferkarussell mit. Sie widersetzen sich offensichtlich wissenschaftlichen Erkenntnissen wie von Professor Arne Güllich https://www.youtube.com/watch?v=cFGrvYb2ctI („Im Fußball gibt es keine Möglichkeit, Talente schon im frühen Alter zu erkennen!“), nicht selten zugunsten ihres eigenen Vereins, bei dem sie den Rest der Woche verbringen. Vom DFB bezahlte Stützpunktchefs finden nichts dabei.
Geht es hier wirklich um die Ausbildung künftiger Talente? Eher wirken die Stützpunkte wie Abenteuerspielplätze und Präsentierteller für Scouts, oder die sich für solche halten. Nicht wenige dienen sich ahnungslosen Eltern als Berater an, wollen also nur das Beste für die Stars von morgen. Vielleicht liegt in diesem zunehmend kranken System eine der vielen Ursachen für die abnehmende Qualität des deutschen Fußballs.
Das nicht gerade kollegiale Klima, vor allem in den Ballungsräumen, führt zu mehr Rivalität. Viele Akteure begegnen sich in tiefer gegenseitiger Abneigung, stilisieren Spiele gegeneinander zu Prestigeduellen. Wieder andere schrecken nicht vor Manipulationen zurück, indem Spieler eingesetzt werden, die gar nicht auf dem Spielbericht stehen. Vor dem Sportgericht versucht mancher, das Strafmaß der Beschuldigten durch kreative Behauptungen zu mindern.
Und manchmal pfeift der Vorsitzende des Vereins das Spiel für den fehlenden Schiedsrichter – es gibt einfach viel zu wenige Unparteiische –, dann entstehen komische Ergebnisse. Wen wundert da noch die zunehmende Aggressivität auf den Plätzen? Kann sein, dass die schweren Straftaten gar nicht stark zugenommen haben, wobei der tragische Tod eines Berliner Spielers bei einem Turnier in Frankfurt eine besondere Dramatik darstellt.
Was aber eindeutig festzustellen ist: Der gegenseitige Respekt lässt zunehmend nach. Erfahrene Trainer beklagen den Trash Talk beim Training, zunehmende Diskriminierungen und schwindende Verantwortung. Das alles auf die Pandemie zu schieben, wäre zu einfach. Auch vor Corona waren behindertenfeindliche Sprüche im Repertoire vieler Kids, um ein Beispiel zu nennen.
Gleichzeitig ist der Anspruch vieler Eltern bemerkenswert. Viele erwarten, dass Trainer sich mit Gewalt- und Diskriminierungsprävention top auskennen, pädagogische Höchstleistungen erbringen, total freundlich und verständnisvoll sind, eine gute bis sehr gute Trainerlizenz haben, aber natürlich alles ehrenamtlich machen. Schon mal nachgedacht? Auf die Krise des Ehrenamts in Zeiten des Fachkräftemangels bin ich in meiner Kolumne mehrfach eingegangen. Das Thema wird uns leider erhalten bleiben.
Teil 2 dieser Kolumne folgt.
Extremisten raus aus meinem Verein? Die Satzung macht‘s möglich
Hartplatzhelden-Kolumne # 65: Für Vereine kann es zum massiven Problem werden, wenn sich extreme Gesinnungen im Club breitmachen oder sogar Strukturen bilden. Ein Überblick über die rechtliche Lage von FABIAN REINHOLZ
Wie wird man unliebsame Vereinsmitglieder los? Vor ein paar Jahren habe ich auf einer Veranstaltung zum Thema „Rechtsextremismus im Verein“ vor Vertretern diverser Sportvereine referiert und erklärt, unter welchen Umständen Vereine Mitglieder ausschließen können, die nachweislich in politisch extremen Vereinigungen oder Gruppierungen aktiv sind. Für Vereine kann es zur großen Herausforderung werden, wenn sich extreme Gesinnungen verfestigen.
Bis dahin waren wenige Fälle bekannt, in denen Gerichte über den Ausschluss aus Vereinen entscheiden mussten. Dem SV Werder Bremen gelang es 2011, sein damaliges Mitglied Jens Pühse aus dem Verein zu werfen. Pühse war Spitzenkandidat der Bremer NPD, ihm wurde vorgeworfen, die Vereinsmitgliedschaft für Wahlkampfzwecke missbraucht zu haben. Seine Klage gegen den Vereinsausschluss scheiterte, weil das Landgericht Bremen fand, dass die Entscheidung des Vereins von der Satzung gedeckt gewesen sei. Ähnliches gelang dem Landessportbund Sachsen-Anhalt im Jahr 2015. Mehrere Spieler des Clubs FC Ostelbien Dornburg gehörten laut Verfassungsschutz zur rechtsradikalen Szene, Schiedsrichter und andere Vereine beklagten Übergriffe bei Spielen gegen den Club. Der Verein wurde aus dem Verband ausgeschlossen. Dagegen gerichtete einstweilige Verfügungsanträge der Dornburger wies das OLG Naumburg zurück. Auch hier sahen die Richter die Entscheidung von der Verbands-Satzung gedeckt.
Im aktuellen Fall ging der Rechtsstreit sogar bis nach Karlsruhe zum Bundesverfassungsgericht. Der Landesvorsitzende der Hamburger NPD, Lennart Schwarzbach, war 2019 von seinem Verein TSV Appen (ein Club in Schleswig Holstein, kurz vor Hamburg) wegen seiner Parteizugehörigkeit ausgeschlossen worden (FAZ berichtete). Der Verein hatte zuvor mehrfach erfolglos versucht, das Mitglied auszuschließen. Dann änderte er seine Satzung wie folgt:
„Grundlage der Vereinsarbeit ist das Bekenntnis aller Mitglieder des Vereins zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung. (…) Der Verein tritt allen extremistischen Bestrebungen entschieden entgegen. Der Verein bietet nur solchen Personen die Mitgliedschaft an, die sich zu diesen Grundsätzen bekennen. Mitglieder von extremistischen Organisationen gleich welcher politischen Ausrichtung, sowie Mitglieder rassistisch und fremdenfeindlich organisierter Organisationen oder religiöser Gruppierungen, wie z.B. der NPD und ihre Landesverbände, können nicht Mitglied des Vereins werden.“
Nach der Satzung können Mitglieder, die insoweit gegen die Satzung verstoßen, ausgeschlossen werden. Und so geschah es auch im Fall „Schwarzbach“. Den Ausschluss hat das Mitglied erfolglos bei den Zivilgerichten angefochten. Vor die Zivilgerichte geht so etwas deshalb, weil es sich um eine privatrechtliche Streitigkeit handelt: Verein und Mitglied sind Personen des Privatrechts, der eine die juristische, der andere eine natürliche Person.
Schwarzbach erhob Verfassungsbeschwerde. Das Bundesverfassungsgericht nahm die Verfassungsbeschwerde aber nicht zur Entscheidung an. Das macht das Verfassungsgericht mit mehr als 90% der Verfassungsbeschwerden, ist also der Regelfall.
Die Verfassungsbeschwerde wird vom Bundesverfassungsgericht nicht angenommen, wenn sie keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung hat oder wenn sie zur Durchsetzung eigener verfassungsmäßiger Rechte der Beschwerdeführer nicht angezeigt ist. Daher geht auch jeder Nichtannahmeentscheidung eine intensive Rechtsprüfung voraus. Die Nichtannahme muss vom Gericht nicht einmal begründet werden. Auch hier ist es so, dass nicht begründete Nichtannahmeentscheidungen die Regel sind. Wer sich darüber mehr informieren möchte, mag einmal hier auf der Website des BVerfG vorbeischauen oder oder sich das sehr informative Interview von Jung&Naiv mit Andreas Voßkuhle (Präsident des BVerfG a.D.) ansehen.
Im Fall „Schwarzbach“ hat das BVerfG die Nichtannahme sogar begründet. Ich fasse mal zusammen:
1. Schwarzbach beruft sich darauf, durch den von den Instanzgerichten bestätigten Vereinsausschluss in seinem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG verletzt zu sein. Danach darf niemand aufgrund seiner politische Anschauung diskriminiert werden. Schwarzbach argumentiert somit in der Art: seine Parteizugehörigkeit und seine politische Anschauung sei allein seine Sache, sie dürfe kein Grund dafür sein, dass er nicht Mitglied in einem Sportverein sein darf (Menschen anderer politischer Anschauung aber schon). Zudem ist die Verfassungswidrigkeit der NPD bis heute nicht festgestellt bzw. hat sie nicht zu einem Verbot der Partei geführt. Zuletzt scheitere ein Verbotsverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht 2017. Zwar wurde der NPD bescheinigt, mit ihren Prinzipien die demokratische Werteordnung grob zu missachten. Es fehle jedoch an gewichtigen Anhaltspunkten, dass ihr Handeln diese Wertordnung konkret gefährdet.
2. Wieso darf sich Schwarzbach überhaupt auf Grundrechte berufen? Grundrechte geltend nämlich gar nicht zwischen Privaten, weil Grundrechtsadressat die öffentliche Gewalt (der Staat) ist. Nur gegenüber Maßnahmen des Staates kann man sich auf Verletzung von Grundrechten berufen. Ausnahme ist die sog. mittelbare Drittwirkung von Grundrechten. Grundrechtsverletzungen können daher auch ausnahmsweise im Privatrechtsverkehr geltend gemacht werden, wenn ein Zivilgericht in einem Streit unter Privaten grundrechtliche Wertvorgaben nicht beachtet. Nach Auffassung des Beschwerdeführers: die Verletzung des Diskriminierungsverbots (siehe oben).
3. Die Verfassungsrichter meinen, es könne dahinstehen, inwieweit Schwarzbach wegen seiner politischen Ansichten durch den Vereinsausschluss benachteiligt werde. Maßgeblich sei nämlich, dass sich der Verein seinerseits auf Grundrechte berufen könne. Aufgrund der Vereinsautonomie (Art. 9 Abs. 2 GG – Vereinigungsfreiheit) könne der Verein nämlich selbst bestimmen, wer Mitglied sein darf und wer nicht. Wenn sich der Verein dabei an seine satzungsmäßigen Vorgaben halte und diese nun mal an einer freiheitlich-demokratischen Grundordnung und gegen politischen Extremismus orientiert sind, sei das nicht zu beanstanden. Im Übrigen lasse sich auch aus dem Grundgesetz das Recht ableiten, sich gegen verfassungsfeindliche Bestrebungen zur Wehr zu setzen, zB aus Art. 9 Abs. 2 GG (Vereinsverbot) und Art. 21 Abs. 2 GG (Parteiverbotsverfahren).
Merke also:
- Es gibt keine gesetzlichen Bestimmungen, die den Ausschluss von Vereins-Mitgliedern regeln.
- Ausschlussgründe müssen sich daher aus der Vereins-Satzung ergeben. Die muss insoweit klar und verständlich sein.
- Gerichtliche Kontrolle erstreckt sich darauf, ob
- verbandsinternes Ausschlussverfahren eingehalten wurde, das den elementaren rechtsstaatlichen Normen und der verbandseigenen Verfahrensordnung entspricht,
- die verhängte Maßnahme eine Stütze in der Satzung findet,
- die zugrundeliegenden Tatsachen fehlerfrei ermittelt wurden und
- die Maßnahmen nicht grob unbillig oder willkürlich sind.
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Die Droge, die Teil unserer Vereinskultur ist
Bei einem Amateurfußballverein im Münchner Osten gibt es für die Herrenmannschaften einmal im Jahr Suppe. Es ist eine außergewöhnlich riechende, ziemliche kalorienreiche Suppe: Sie besteht ausschließlich aus diversen hochprozentigen alkoholischen Getränken. Zum Sommerfest bringen die Fußballer nämlich ihre Restbestände an Schnaps, Whiskey oder Likör mit, die dann in einem Topf zusammengeschüttet werden. Spieler, die in der zurückliegenden Saison mit Fehlverhalten oder sonstwie aufgefallen sind, müssen die Suppe dann auslöffeln – gerade stehen kann danach keiner mehr von ihnen.
Dieses Ritual mag in Vereinen nicht die Regel sein, steht aber doch beispielhaft für den Umgang mit Alkohol im deutschen Amateurfußball: Er ist Teil der Vereinskultur, fließt auf Mannschaftsabenden in rauen Mengen oder wird nach einem Sieg vom Vorstand als Belohnung ausgegeben.
Dass Sport und Alkohol sich eigentlich nicht besonders gut vertragen, wird ignoriert. „Nach dem Spiel sollte Alkohol tabu sein. Das wirkt sich negativ auf die Regeneration aus", sagt der Sportmediziner Dr. Martin Lueg, der unter anderem als Mannschaftsarzt im Nachwuchsleistungszentrum des TSV 1860 München gearbeitet hat, im Interview mit dem Münchner Merkur. „Alkohol reduziert die Neubildung von Proteinen in den Zellen. Er hemmt die Wachstumsfaktoren und somit alles, was ich für den Muskelaufbau brauche." Das Bier danach – aus medizinischer Sicht ist es nicht sinnvoll.
Die Biere davor – wenn die Mannschaft vor einem Spiel mal wieder die Nacht zum Tag macht – sind es genauso wenig. Die Medizinerin Annabelle Clément hat in ihrer jetzt erschienenen Doktorarbeit erstmals anhand einer großen Stichprobe untersucht, wie sich Alkoholkonsum in der Nacht
vor einem Fußballspiel auf die Verletzungsanfälligkeit auswirkt. Sie kommt zu dem Schluss, dass sich Spieler, die sich am Morgen des Spieltags noch betrunken fühlten, signifikant häufiger verletzten. „Zudem", schreibt sie, „kam es bei erhöhtem Alkoholkonsum, also mehr als zwei Liter konsumierter alkoholischer Getränke, signifikant häufiger zu Überlastungsbeschwerden."
Der (oft vergeblich) geäußerte Wunsch des Trainers, doch bitte vor dem Spiel auf einen Rausch zu verzichten, ist meist die einzige Maßnahme, die in Vereinen ergriffen wird, um die Sensibilität für die Wirkung und die Gefahren des Alkohols zu erhöhen. In Fanszenen von Proficlubs, in denen das Bewusstsein für gesellschaftliche Probleme generell hoch ist, sieht es anders aus: Im Stadion des FC St. Pauli gibt es mit dem „Trockendock I" seit einiger Zeit einen alkoholfreien Getränkeverkaufsstand, auch als Angebot für diejenigen, die alkoholkrank waren und den Kontakt mit der Droge zu meiden versuchen. Die „Weiß-braunen Kaffeetrinker*innen", die hinter der Aktion stecken, wurden jetzt von der Deutschen Akademie für Fußball-Kultur als Fanclub des Jahres 2022 ausgezeichnet.
Für die meisten Amateurfußballer mag die Omnipräsenz des Alkohols im Verein nur gesundheitsgefährdend sein. Für trockene Alkoholiker ist sie lebensgefährlich. Um diese Personen, genauso wie Menschen, die aus Prinzip oder religiösen Gründen, keinen Alkohol trinken, nicht
auszuschließen, müssen sich Amateurfußballvereine fragen, wie stark diese Droge Teil der Vereinskultur sein muss. Muss der Einstand eines neuen Spielers immer mit einem Kasten Bier gefeiert werden? Braucht es im Mannschaftschat ständig Videos vom Bier-Pong-Spielen?
Ich bin kein Abstinenzler. Ich sitze nach dem Training gerne bei einem Bier in geselliger Runde. Darf ich diese Fragen trotzdem stellen?
Ist Fußball das neue Golfen?
Die Sommer werden heißer, Wasser wird knapper, Energiekosten steigen. Fußball wird auf Sandpisten gespielt oder von zahlungskräftigen
Sportlerinnen teuer bezahlt auf bewässerten Greens. Ist Fußball das neue Golfen? Energieversorgung ist jedenfalls ein Thema, das auch Sportvereine betrachten müssen, bevor wir, wie in der Pandemie, von den Ereignissen, etwa durch monatelange Schließungen aller Sportanlagen, überrollt werden.
Die Fragen liegen auf der Hand:
- Können Vereine künftig bei zunehmender Wasserknappheit und steigenden Energiekosten den Sportbetrieb aufrechterhalten?
- Werden wir sogar von Kommunen, Gemeinden oder Städten aufgefordert, die Tore zu schließen, um keine weitere Energie zu verbrauchen, um
systemrelevante Einheiten damit zu unterstützen?
- Sind die Vereine nicht vielleicht auch systemrelevant. Worauf müssen wir uns vorbereiten?
- Wie können Sportvereine dazu beitragen, Energie und Kosten zu sparen?
Die meisten Vereinsanlagen stammen aus dem Anfang des letzten Jahrhunderts. Schlecht oder gar nicht gedämmte Fassaden und Dächer, Fenster ohne nennenswerte U-Werte, veraltete Heizungsanlagen, zusammengefasst eine alte Bausubstanz. Da helfen Sonderprogramme zur energetischen Sanierung nicht, da wäre Neubau angesagt. Ich will mal einen Einblick geben, wie wie bei der TUSA 06 das Problem angehen.
Unsere Sportanlage gibt es seit 1906, das Vereinsheim ist 1959 entstanden. Eine zusätzliche Umkleide mit zwei Kabinen und Duschen von 2004, eine weitere mit zwei Kabinen und Duschen von 2022. Zwei Kunstrasenplätze, ein Rasenplatz. Zweimal Flutlicht konventionell, einmal ganz neu 2022 mit LED-Beleuchtungskörpern. In der Fußballabteilung haben wir dreißig Mannschaften im Trainings- und Spielbetrieb. Was können wir tun, wenn in den nächsten Wochen die Notwendigkeit größer wird, Energie- und Kosten einzusparen? Hier sind fünf Ideen:
1. Idee
Auf der Umkleide von 2004 stehen 150 Quadratmeter Fläche für Photovoltaik zur Verfügung, die 15 Kilowatt Leistung bringen würden. Diese Annahme hat unser Sanitärexperte bestätigt. Ungefähr in Zahlen ausgedrückt bedeutet das, wir können damit die komplette Anlage, inklusive Küche, tagsüber im Sommer mit Strom versorgen. In der Dämmerung (Flutlicht) hilft die Anlage natürlich nicht. Durch Einspeisung könnten wir im Jahr knapp 2.000 Euro erzielen. Aktuell zahlen wir etwa. 22.000 Euro Energiekosten, das wären also knapp 10 Prozent. Nur bei 100 Prozent Förderung wäre das etwas, was sofort Kosten einspart, die prognostiziert um mindestens 30 Prozent steigen werden. Als erste Schritte müssten die Statik des Daches und die Tauglichkeit des Stromzählers geprüft werden. Um Beitragserhöhungen werden wir trotzdem nicht herumkommen.
2. Idee
Austausch der Außenlampen am Stabgitterzaun. Lampen aufgeschraubt und reingeguckt. Da stecken 13 Watt Energiesparlampen drin. Tauscht man nur die sechs vom Ballraum bis zum Ende der Anlage am KR-Übergang gegen LED aus, ergibt sich eine Einsparung von 3,80 Euro im Jahr! Lohnt nicht.
3.Idee
Reduzierung der Wassertemperatur für die Duschen. Schon umgesetzt.
4.Idee
Reduzierung der Trainingseinheiten je Mannschaft ab Herbst. Statt bisher zwei oder drei mal die Woche unter Flutlicht auf dem Platz, das nur einmal und dazu Lauftraining oder Athletiktraining mit Stirnleuchte. Die Kreativität der Übungsleiter*innen ist gefragt.
5.Idee
Neuorganisation des Spielbetriebs Fußball mit überwiegendem Anteil in den hellen Monaten des Jahres. Die Sommermonate müssen umfangreicher für den Spielbetrieb genutzt werden. Liegt nicht bei uns Fazit: Es gibt nicht die große ganze Idee, aber viele kleine. Wir Sportvereine müssen uns jetzt vorbereiten und jetzt unsere Vertreterorganisationen auffordern, unsere Interessen, unserer Sportlerinnen und Sportler zu vertreten. Für die Kinder-und Jugendarbeit in Deutschland sind Sportvereine systemrelevant. Wir müssen uns Gehör verschaffen und Lösungen vorschlagen.






