1. Herren über alles? Wie wir bewerten, was Vereine wirklich leisten

Hartplatzhelden-Kolumne #91: Vereine definieren sich meist über die Liga der Mannschaft welchen Geschlechts? Drei Mal dürfen Sie raten. Wir müssen das ändern. MICHAEL FRANKE hat eine Idee.

Wenn man über seinen Verein spricht, fällt oft die Frage: In welcher Liga spielt ihr? Schnell wird sie selbstverständlich mit der Liga der Ersten Herrenmannschaft beantwortet. Interessanterweise auch in Vereinen mit Frauen- und vielen Jugendteams. Als hingen das Gewicht, die Leistung, der Wert des Vereins von der Ligenzugehörigkeit einer einzelnen Mannschaft des Vereins ab.

Das mag ein Maßstab für Profivereine sein. Für Ligen, in denen die Finanzierung der Struktur des Vereins von der Liga des Profiteams direkt abhängt. Im Amateurfußball greift diese Kategorisierung aber viel zu kurz. Denn ein großer Teil unserer Vereine leistet gesellschaftlich wesentlich mehr als eine sportlich starke Herrenmannschaft an den Start zu bringen.

Mit dieser sehr eindimensionalen Bewertung von Vereinen gehen verschiedene Probleme einher. Gerade weil die eine Herrenmannschaft auch im unteren und mittleren Amateurbereich als so wichtig erachtet wird, definieren viele Vereinsvorstände ihren Selbstwert, aber auch den Wert ihrer Arbeit über die Liga der Ersten Herren. In der Folge kommt es zu den bekannten Verwerfungen. Mannschaften werden ligawunschgemäß gecastet, es fließt reichlich Geld.

Besonders absurd wird der Umstand bei den Vereinen, die nicht mal eine eigene Jugend haben. Definitiv leistet jeder Verein, auch der Verein mit nur einer oder zwei Herrenteams grundsätzlich die wichtige Arbeit einer funktionalen Sozialstruktur. Doch ist es wirklich wertvoller, eine einzelne Mannschaft in eine obere Amateurliga zu hieven, als gute Jugendarbeit zu leisten mit dem Ziel, Kindern und Jugendlichen Bewegung und Werte zu vermitteln? Ist es wirklich gerecht, denjenigen Vorstand zu überhöhen und ehren, der die eine Mannschaft unter Einsatz erheblicher eigener oder fremder Mittel nach oben gebracht hat? Ist das überhaupt noch Verein?

Erste Herren über alles – diesem Prinzip liegt ein enormes Missverständnis von gesellschaftlicher Relevanz zugrunde. Wer die Arbeit der Breitensportvereine auf die Erste Herren reduziert, bewertet die gewaltige Leistung des Ehrenamts in der Breite der Vereine unter. Die Entwicklung und Förderung junger Spieler hat deutlich weniger Gewicht und Relevanz in der Wahrnehmung als die Verpflichtung von Spielern, von denen manche noch dazu in der sportlich falschen Liga unterwegs sind. Dann schießen plötzlich Stürmer mehr als 40 Tore pro Saison und werden gefeiert. Verargumentiert wird diese Absurdität mit dem Argument, damit positive Vorbilder zu schaffen.

Wirklich jetzt? Es wäre eine Aufgabe für die Soziologie herauszufinden, ob es diesen Zusammenhang wirklich gibt. Ich zweifle stark.

Was wäre die Lösung? Möglicherweise wäre ein Vereinsscoring der richtige Weg. Also die objektive Bewertung von Vereinen nach ihrer Gesamtperformance. In diesen Score könnte die Zahl lizensierter Trainer fließen, die Zahl der Jugendteams im Verhältnis zur Infrastruktur oder die Zahl der ausgebildeten Schiedsrichter. Zudem könnte in dieses Scoring das sonstige gesellschaftliche Engagement fließen. Ich denke an Nachhaltigkeit, soziale Aktivitäten oder Inklusion. An den ermittelten Score könnte ein Prämiensystem gekoppelt werden, um Vereine zu entsprechenden Handlungen zu motivieren und damit einen maximalen Wert für die gesellschaftliche Entwicklung zu leisten.

Gute Idee?

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»Oldies but Goldies«: Euren Heimatverein im Testament berücksichtigen?

Hartplatzhelden-Kolumne #89: Ohne Ü60 wäre nicht viel los, viele Mitglieder stützen ihren Verein bis ins hohe Alter. Warum eigentlich nicht darüber hinaus? Von GERD THOMAS

Die Rolle der Alten wird im Fußball unterschätzt. Nicht die der Silberrücken Watzke, Hoeneß oder Kind, sondern die der älteren Semester in den Vereinen an der Basis. Nicht nur in Berlin boomt der Altliga-Fußball. Kein Wunder, die Zahl der medizinischen Wunder steigt. Wer einigen 65-jährigen beim Warmmachen zusieht, kommt ob der Beweglichkeit aus dem Staunen nicht mehr raus. Gute Koordination hilft beim anschließenden Match auch beim Torabschluss oder bei der Verhinderung von Chancen des Gegners.

Doch auch in anderen Bereichen gilt es, sich die Leistungen der Senioren näher anzusehen. Viele erledigen ehrenamtliche Arbeiten, die nicht bei allen beliebt sind – vom Platzkassierer über den Grillmeister bis hin zur Rasenpflege, Spendensammler oder Mitgliederverwaltung.

Manchmal geht es einfach um die Geselligkeit, wie beim Stammtisch der „Alten Germanen“ in der Gemeinde Rattelsdorf in Oberfranken, mitgegründet von meinem Schwiegervater, der einst auch das Vereinsheim mitbaute und in mehr als 10 Vereinen vor Ort ist – vom Pfeifenclub über VdK bis zum Sportverein. Wer glaubt, dort würde altdeutsche Geschichte behandelt oder Brauchtum in Fellkleidung begangen, liegt falsch. Es handelt sich bei der Runde um die älteren Mitglieder der Spielvereinigung Germania Ebing, einem Kreisligisten im Landkreis Bamberg. Wobei die Frauen in der Landesliga spielen, das soll nicht verschwiegen werden.

Die „Alten Germanen“ treffen sich alle zwei Wochen in einem der beiden örtlichen Wirtshäuser – immer schön abwechselnd – singen Lieder aus der Mundorgel, fachsimpeln oder sinnieren beim selbst gebrauten Bier der Gaststätte Schwanen Bräu oder beim Nothelfer-Trunk, den der Gasthof Drei Kronen gegenüber ausschenkt. Dorfgemeinschaft, Treffen und Unterhaltung unter dem Wappen des Fußballvereins, den Wimpel stets in der Mitte des Stammtischs.

Ein Kollege von Werder Bremen erzählte mir einst über die vielen ehrenamtlichen Rentner, die für den Verein in Kitas oder Schulen gehen und stolz darauf sind, im Namen ihres Vereins tätig sein zu dürfen. Keine Ahnung, ob das heute noch so ist, aber wer kann den Verein authentischer vertreten als Menschen, die schon 40, 50 oder gar 60 Jahre Mitglied sind?

Werder war zusammen mit Schalke, Leverkusen und Wolfsburg einer der Vorreiter beim Walking Football in Deutschland, das sich immer größerer Beliebtheit erfreut. Die Schalker hatten sogar Klaus Fischer und Martin Max als Botschafter dabei. Gefördert wurde die Einführung von Walking Football über das Programm PFiFF (Pool zu Förderung innovativer Fußball- und Fankultur) der DFL. Denn nicht zuletzt waren es Fans, welche die Initiative ergriffen, wenn auch betagtere.

Eine andere wichtige Funktion wird oft übersehen. Ältere Mitglieder sind meist finanzielle Förderer von Sportvereinen. Sei es als klassischer Sponsor über die eigene Firma, sei es als Spender, oder indem sie Menschen mit finanziellen Möglichkeiten ansprechen und überzeugen, monetär für den Verein aktiv zu werden. Ohne das Zutun der Oldies würde manche Herren- oder Jugendmannschaft kaum auflaufen.

Beim FC Internationale Berlin tagt alle vier Wochen der so genannte „Club Voltaire“. Hier kommen mittwochs um 11 Uhr an die dreißig Menschen zusammen. Viele von ihnen treffen sich an anderen Tagen auch beim Seniorensport oder beim Boule am Goldenen Hirschen in Blickweite zum Rathaus Schöneberg. In den Club Voltaire werden Fachleute eingeladen, die über so verschiedene Themen wie China, Rente, Wilhelm Busch oder die Berliner Pläne zur EURO2024 referieren. Anschließend gibt es Pizza und ein Spendentopf für den Inter-Sozialfonds geht rum.

Ein Thema wird in letzter Zeit immer wieder angesprochen. Wie können wir Menschen dazu bewegen, den Sportverein ihres Herzens in ihrem Testament zu berücksichtigen? Tatsächlich ist perspektivisch geplant, sich mit Experten zusammenzusetzen, die sich im Erbschaftsmarketing auskennen. Der Begriff mag einigen unangemessen erscheinen. Aber nüchtern betrachtet, lohnt es sich, damit auseinanderzusetzen.

Vereine haben vielen Menschen Jahrzehnte lang ihr Leben bereichert, manchmal durch Tore und Siege versüßt. Dort werden und wurden Freundschaften geschlossen, manchmal auch Familien gegründet. Auf jeden Fall lässt der Verein viele ein Leben lang nicht los, was ja positive Gründe haben muss. Gemeinsame Hobbys und Interessen vereinen eben.

Nur die wenigsten denken darüber nach, dieser sportlichen Familie etwas zu hinterlassen. Dabei läge die Berücksichtigung des Vereins oft näher, als das Erbe an entfernte oder ungeliebte Verwandte zu geben.

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Fernsehrevolution: Darum gehört Ehrenamt regelmäßig in die Sportschau

Hartplatzhelden-Kolumne #86: Damit Vereine dem Ansturm der Kinder nach Euro und Olympia gerecht werden, braucht es eine Aufwertung des Ehrenamts. ARD und ZDF haben die Pflicht, dabei zu helfen. Eine revolutionäre Idee von GERD THOMAS

Manchmal noch bringt Social Media einen guten Einfall. In einer LinkedIn-Diskussion mit dem Amateurfußball-Kollegen Matthias Maslaton aus Düsseldorf kam mir Folgendes: Warum verpflichten wir nicht die öffentlich-rechtlichen Sender, in jeder größeren Sportsendung, ein erfolgreiches ehrenamtliches Projekt vorzustellen? Das wäre im Sinne des öffentlich-rechtlichen Auftrags und sollte von den Mitgliedern der Rundfunkräte im Sinne der Bürgernähe eingebracht werden.

Vereine könnten sich bewerben, Projekte vorgeschlagen werden. Jeden Samstag und Sonntag gäbe es in der „Sportschau“ und im „Aktuellen Sportstudio“ einen 3-Minuten-Slot, professionell vom Sender gedreht. So könnten pro Jahr rund 200 Projekte und Vereine vorgestellt werden und eine Bekanntheit erlangen. Theoretisch könnte man das auf kulturelle Projekte ausdehnen, die dann in Aspekte oder Titel, Thesen, Temperamente vorgestellt würden, das nur nebenbei.

Das Ehrenamt hat es schwer, im Fußball allemal. Zwar jubeln die Sportverbände, dass mehr Kinder in die Vereine strömen. Erstens sind nach der Pandemie viele tatsächlich wieder an Präsenzkontakten interessiert. Zweitens gab es zuletzt geburtenstarke Jahrgänge, auch wenn sich das gerade wieder ändert. Die schöne EM im eigenen Land und Olympia in Paris werden den Trend noch verstärken.

Der steigende Nachwuchs will aber betreut werden, dazu braucht es Sportstätten. In den Ballungsräumen ist es um die amateursportliche Infrastruktur schlecht bestellt, in Berlin, Hamburg, München oder Köln könnte man sie als Zumutung bezeichnen. Während die Politik der angeblich darbenden Hauptstadt zig Millionen, oft sogar Milliarden, für sportliche, kulturelle und KfZ-orientierte Prestigeobjekte zur Verfügung stellt, verrotten Sportplätze, Hallen und – auch das soll erwähnt werden – Schulen. In meinen Augen eine inakzeptable elitäre Prioritätensetzung zugunsten von Hochkultur, Profisport und SUV-Besitzern.

Warum die Sportverbände dagegen nicht aufbegehren, bleibt ihr Geheimnis. Nun, jeder hat die Lobby, die man verdient hat. Solange sich niemand beschwert, arbeiten die Funktionäre langsam und mit den Schwerpunkten, die ihnen am wenigsten Probleme machen. Zwar gibt es von Vereinsvorständen genug Beschwerden über „Die da oben“, aber Meckern am Tresen hat noch nie etwas bewirkt. Wichtiger wäre, sich in den Verbandsgremien zu engagieren, was den meisten zu anstrengend ist.

Fast noch schwerer als die schlechten Sportanlagen wiegen die Probleme, genügend Trainerinnen und Trainer zu finden. Doch wer macht sich Gedanken, wie wir die Misere beheben? Zum Thema Ehrenamt haben Hartplatzheldin Susanne Amar und ich im Frühjahr eine Veranstaltungsreihe durchgeführt. Es ging um die Stärkung von Vorständen, Coaches und um die Rolle der Eltern. Wir haben mit Engagierten von der Basis diskutiert, die wissen, worüber sie reden. Drei Einschätzungen kamen immer wieder auf:

  • zu wenig Wertschätzung
  • schwierige Kommunikation im Verein
  • Überlastung zu weniger Engagierter

Am 8. November werden wir in der Sportschule des LSB Berlin die Ergebnisse vorstellen und Handlungsempfehlungen aufzeigen. Gleichwohl ist das Thema damit nicht beendet, es geht dann erst richtig los.

Wir brauchen weitere Anreize für das Ehrenamt. Eine rein intrinsische Motivation wird für einen 23-jährigen Jugendtrainer, der seine Miete zahlen muss, als Motivation für zehn oder fünfzehn Stunden pro Woche ehrenamtliches Engagement nicht reichen. Drunter läuft es nicht, will man ambitioniert und engagiert eine Mannschaft führen. Geht es um die Besetzung von Vorstandsposten, verschärft sich die Situation. Wie wäre es, über ein Jahresabo für den öffentlichen Nahverkehr oder einen Steuernachlass nachzudenken?

Julian Nagelsmanns wurde für seine Rede zum Zusammenhalt gelobt. Dass die selbsternannten Patrioten von der AfD es mit der Nationalmannschaft und deren Trainer nicht so haben, ist verkraftbar. Doch nehmen wir die Worte des Bundestrainers ernst, müssen wir die Debatte um die Attraktivität des Ehrenamts leidenschaftlich und konstruktiv führen. Vereine lehren Solidarität und demokratische Regeln. Uns allen sollte daran gelegen sein, genau das in unserem Land zu fördern. Vereine können aber nur so gut wirken, wie es die Bedingungen hergeben. Und die müssen sich verbessern!

Sonst orientieren sich immer mehr Leute am Gedicht „Ehrenamt“ von Wilhelm Busch. „Willst du nicht zu früh ins Grab, lehne jedes Amt gleich ab!“ Ein Gegenmittel wäre mehr Sichtbarkeit fürs Engagement. Warum bringen wir nicht über die Rundfunkräte ein, dem Ehrenamt mehr Platz im Fernsehen einzuräumen? Drei Minuten in einer 90-Minuten-Sendung sind gerade einmal 3,3 Prozent. Nebeneffekt: Sind die Filme gut, werden sie vielleicht zum Quotenhit.

Eine Idee für die Auswahl der Projekte hätte ich auch: Wer könnte besser als die Hartplatzhelden nach Beispielen Ausschau halten und diese einordnen? Ein kongenialer Partner könnte die „Deutsche Stiftung für Engagement und Ehrenamt“ sein, eine der besseren politischen Ideen der letzten Jahre. Auch die Deutsche Sportjugend wäre geeignet, mitzuwirken.

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Fußballfieber von Josef Daser

Dieses Stück macht Dinge zum Thema, die viele nicht sehen und wahrhaben wollen

Im Laientheater verliebt sich in der Regel der Jungbauer in die Magd. Und nach einigen Verwechslungen und Turbulenzen heiraten Sie am Ende. So ist das normalerweise.

Nicht so beim spielfreudigen Ensemble der Neuwirtbühne in Großweil in der Nähe von Garmisch-Partenkirchen. „Fußballfieber“ nennt sich die Groteske, die keine Fehlentwicklung im Lieblingssport der Deutschen auslässt.

Den Rahmen bildet die Geschichte des imaginären FC Karpfensee, der nach einigen Aufstiegen aus den Niederungen des Amateurfußballs in die Krise gerät und in die Fänge eines dubiosen Spielervermittlers und Managers begibt.

Damit wird alles anders. Spieler aus aller Welt werden in Karpfensee „geparkt” und verdrängen Vereinslegenden. Finanziert wird alles durch den zunächst unbekannten Dritten. Der Erfolg kehrt zurück.

Doch zu welchem Preis? Das Vereinsheim verödet, der Druck steigt. Schließlich wird das entscheidende Spiel vergeigt, der Sponsor steigt aus und das Kartenhaus fällt in sich zusammen. Am Ende steht der Neustart in der C-Klasse.

Foto: Peter Eckert, neuwirtbuehne.de

Auf dieser mit klassischen Fußballersprüchen gespickten Berg- und Talfahrt werden die Auswüchse des professionellen Fußballs und der Amateurszene geschickt verpackt inszeniert. Die finanzielle Ausnutzung des Profitraums von Kindern, Schmerzmittelmissbrauch, Doping, Steuerhinterziehung, Schwarzgeld, Spieler als Handelsware, Alltagsrassismus, Größenwahn aber auch in Worte gefasster Taktikwahn. Alles dabei auf der Großweiler Bühne. Zum Schluss landen Darsteller und Zuschauerinnen wieder bei den Wurzeln der Faszination Fußball.

Eine Groteske, doch von der Realität abgeschaut. So bleibt einem manches Mal der Lacher ein wenig im Halse stecken. Am Ende regt dieses genial kritische Theaterstück nicht nur die Lach-, sondern auch die Denkmuskeln an. Empfehlenswert für alle, die sich mit dem sozialen Phänomen Fußball befassen – Funktionär, Spieler, Trainer oder Fan.

Verfasser ist Josef Daser, ein bayerisches Urviech. Er ist auch der Regisseur des Stücks und verkörpert den schmierigen Spielervermittler Winfried Eckenballer. Nach dem Stück hatte ich die Gelegenheit, ihn persönlich zu befragen. Wie auf dem Fußballplatz üblich wurde das Interview in Duz-Form geführt.

Michael: Lieber Josef, die erste Frage liegt auf der Hand. Bei Betrachtung deines Wikipedia-Eintrags ist nur die Rede vom Schauspieler und Autor Josef Daser. Woher hast Du das auffallend große Wissen über Fußball, insbesondere über die Amateure?

Josef: Ich bin von klein auf leidensfähiger Sechzger–Fan. Ich habe meinen großen Sohn jahrelang in seiner Jugendlaufbahn von Geretsried über Starnberg bis nach Heidenheim begleitet und dadurch sehr viele Einblicke in den Jugendfußball bekommen. Für dieses Theaterstück habe ich dann sehr viel hinter den Kulissen recherchiert.

Foto: Peter Eckert, neuwirtbuehne.de

Michael: Wie ist es zu erklären, dass es viele Vereine gibt, die das in Deinem Stück gezeigte Szenario immer wieder durchlaufen? Aktuellstes Beispiel ist der SV Türk Gücü München, der nach dem spontanen Ausstieg des großen Sponsors wieder vor einem Umbruch steht. Zwei Jahre nach der Insolvenz wegen des Ausstiegs der Investors Ende 2021. Wie erklärst Du Dir diese Lernresistenz?

Josef: Erfolgsgier um jeden Preis und inkompetente Leute an der Vereinsspitze.

Michael: Ihr thematisiert auf der Bühne viele Probleme des Spitzensports, die mittlerweile auch die Amateurszene erreicht haben. Das alte Thema Geld, die neuen Themen Schmerzmittelmissbrauch und leistungssteigernde Substanzen. Wie erklärst du den Umstand, dass weder die breite Öffentlichkeit noch die Amateurfußballcommunity dies kritisch diskutieren?

Josef: Am Ende ist doch das wichtigste, was rauskommt. Fußball ist und bleibt sauber für diejenigen, die nichts anderes hören wollen, die nur schöne Blumenwiesen sehen und vor dem Schlachtfeld hinter den Kulissen einfach die Augen zumachen. Zitat aus meinem Stück.

Michael: Lieber Josef, vielen Dank für Deine Zeit. Ihr habt mich wirklich begeistert. Wie lange spielt ihr das Stück noch, wie kommt man da an Karten?

Josef: Karten sind noch an folgenden Terminen erhältlich: 3., 8., 9., 15., 16., 17., 23., 24. und 28. März sowie am 6. April. Findet ihr alles auf unserer Homepage. Vielen Dank, und herzliche Grüße, Josef Daser.

Infos zum Stück findet ihr hier:

Neuwirt Bühne Großweil – Neuwirt Bühne Großweil (neuwirtbuehne.de)


"Danke, Fußball!": Warum Vereine & Eltern besser kommunizieren müssen

Dass ich das einmal sagen würde, hätte ich mir nie träumen lassen. Und dass ich heute als Kommunikationsexpertin Vereine im Umgang mit Eltern unterstütze, hätte ich lange für einen Witz gehalten. Von SUSANNE AMAR

Seit meiner Jugend stehe ich mit dem Fußball auf Kriegsfuß. Solange ich mich erinnere, ist Fußball für mich mit Verzicht verbunden. Samstags konnte ich oft meine Lieblingssendung "disco" nicht schauen, weil mein Vater die "Sportschau" sehen wollte. Als ich älter wurde, waren es meine Freunde, die samstagabends aus gleichem Grund keine Zeit hatten.

Ich habe mich oft gefragt: Was ist toll daran, dass elf Spieler hinter einem Ball herlaufen? Grölende Fans ihre Mannschaft anfeuern? Erwachsene Männer weinen, wenn der Lieblingsverein absteigt? Eltern gefrustet sind, wenn das Kind nicht so spielt wie gewünscht?

Mittlerweile weiß ich, dass der Sport Leidenschaft ist. Diese Erkenntnis verdanke ich unserem Sohn. Er hat mich an seiner Fußballleidenschaft mehr als dreizehn Jahre teilhaben lassen und mir gezeigt, wie sehr er dafür brennt. Er gehörte zu den 2,2 Millionen Kindern und Jugendlichen, die unter dem Dach des Deutschen Fußball-Bundes kicken. Er hat in Amateurvereinen, in Fußballschulen und in Nachwuchsleistungszentren gespielt.

Mit Anfang 20 ist er ausgestiegen, denn er wollte andere Erfahrungen machen, die mit dem Leben eines Nachwuchsfußballers nicht zu vereinbaren sind: Reisen, um die Welt kennenzulernen, Jobs und Praktika, um sich beruflich zu orientieren und nicht zuletzt Beziehungen und Freunde, um das Leben zu genießen. Ihm ist es gelungen, sich gut von seiner Leidenschaft zu verabschieden und lebt heute ein selbstbestimmtes und erfülltes Leben, in dem er gerne, jedoch ohne Wehmut, auf die Zeit zurückblickt. Doch bis zu seinem Ausstieg war der Fußball ALLES für ihn. Und genau das war der Grund, ihn zu unterstützen, obwohl mich der Sport kein bisschen interessierte.

Als Mutter war der Einstieg in den Kinderfußball für mich eine Expedition in fremde Gefilde. War ich anfangs wie viele Eltern mit Trikotwaschen, dem Fahrdienst und Trostspenden beschäftigt, wenn ein Spiel verloren ging oder das aufgeschlagene Knie verarztet werden musste, kamen im Laufe der Jahre sehr essenzielle Themen hinzu. Denn hat der Fußball im Alter von sieben Jahren noch sehr viele spielerische Züge, verändert er sich mit zunehmendem Alter und Leistungsniveau. Und damit verbunden stehen auch die Eltern vor neuen Herausforderungen. 

Ist Trainern und Verantwortlichen eigentlich bewusst, wie sehr ihr Tun das Familienleben bestimmt? Wissen sie, dass viele Eltern wenig bis gar keine Ahnung vom Fußball haben? Wie bekommen wir Schule und Ballsport unter einen Hut? Wie kann ich mein Kind unterstützen, wenn es verletzt ist und lange nicht spielen kann?

Ein paar Fragen, die sich viele Eltern stellen, egal, ob das eigene Kind im Amateurverein oder im NLZ spielt. Und die auch mich immer wieder beschäftigt haben und auf die ich leider kaum Antworten erhielt. Denn egal, wo unser Sohn gespielt hat, gab es wenig bis gar keine Gespräche zwischen Trainern und uns, wurden uns kaum Informationen an die Hand gegeben.

Dabei ist es so einfach! Die Amateurvereine sollten erkennen, dass viele Eltern wenig über die Herausforderungen, die an ihr Kind und an sie gestellt werden, wissen, wenn sie ihr Kind im Verein anmelden. Gleiches gilt für die Vereinsarbeit verbunden mit dem Ehrenamt. Themen, die den Vereinen und Eltern das Leben oft schwer machen.

Um das zu verändern, braucht es die Bereitschaft innerhalb der Vereine, sich zu verändern – sowie Kommunikation und Aufklärung. Meine Erlebnisse und Erfahrungen, die schönen wie die unschönen, haben mich zu meinem heutigen Tun geführt. Denn sie haben mir gezeigt, dass der Kinder- und Jugendfußball die Eltern als Partner akzeptieren muss, um mit ihnen eine wertvolle Zusammenarbeit eingehen zu können.

Als systemischer Coach und Mediatorin bestärke ich Vereine darin, das Potenzial der Eltern zu nutzen und sie ins Boot zu holen, damit gemeinsam bestmögliche Voraussetzungen für die Spieler*innen geschaffen werden. Ich weiß selbst, dass es nicht immer einfach ist, sich an etwas heranzutrauen, wenn man sich kaum auskennt. Doch ich weiß auch, wie toll es ist, wenn man genau diesen Schritt geht. Wie in jeder Beziehung ist es auch hier wichtig, sich zu kennen, zu verstehen und zu respektieren. Dazu sind Informationen, Akzeptanz, Wertschätzung und den Wunsch der Veränderung nötig – auf beiden Seiten.

Ich zeige durch einfache Handlungsoptionen und direkt umsetzbare Impulse auf, wie das gelingen und wie jeder Amateurverein sie entsprechend seiner Ressourcen nutzen kann. Das ist die Basis für ein effizientes Miteinander, die die Arbeit der vielen ehrenamtlichen Beschäftigten im Amateurfußball entspannter macht und Eltern befähigt, kompetent ihr Kind zu begleiten. Denn im Kinder- und Jugendfußball sind so viele tolle Menschen tätig – neben und auf dem Platz, die ich dabei unterstützen möchte, damit sie ihre Aufgaben mit Spaß und Entspannung statt mit Frust und Stress erledigen.

Auch wenn es viele Missstände im Amateurfußball gibt, möchte ich Vereinen zeigen, dass sie selbstwirksam handeln und nicht nur auf Vorgaben, Regeln und Veränderungen von außen angewiesen sind. Daher wirst du ab 2024 immer mal wieder etwas von mir zu Kommunikation im Kinder- und Jugendfußball lesen.

Letztlich bin ich, auch wenn ich nicht alles toll im Kinder- und Jugendfußball finde, sehr dankbar, dass unser Sohn dort lange ein zweites Zuhause hatte. Er hat in diesem Mannschaftsport so viele soziale Kompetenzen erlernt, die wertvoll sind und von denen er damals auf und heute neben dem Platz sehr profitiert. Etwas, was uns als Eltern alleine nicht gelungen wäre. Dafür sage ich: "Danke, Fußball!"

Mehr zu mir und meiner Arbeit findest du unter https://www.susanne-amar.de